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Berset überrumpelt Spitex mit einer Kürzung der Pflegebeiträge

In der ambulanten Pflege sei es schon mit den geltenden Kassenbeiträgen kaum mehr möglich, kostendeckend zu arbeiten. (Foto: Keystone)

Kurz vor der Sommerpause lässt Gesundheitsminister Alain Berset den Spitex-Diensten und den Krankenkassen dicke Post zukommen. Mit einer Verordnung hat sein Departement diese Woche die Kassenbeiträge an die Pflege neu festgelegt. Die Versicherer müssen ab nächstem Jahr ihre Beiträge für Patienten in Heimen um 6,7 Prozent erhöhen, im Gegenzug aber 3,6 Prozent weniger an die Spitex-Pflege zu Hause bezahlen. Unter dem Strich fallen den Kassen so Mehrkosten von 83 Millionen Franken pro Jahr an, den Spitex-Diensten drohen Ausfälle von 32 Millionen, während die Kassenbeiträge an die Heimpflege um 115 Millionen steigen.

Begründet wird diese Umverteilungsübung mit einer Kostenbilanz, die Bersets Departement letztes Jahr erstellte. Die politische Vorgabe bei der Einführung der neuen Pflegefinanzierung von 2011 war, dass die Kosten-beteiligung der obligatorischen Krankenversicherung sowohl für Pflegeheime wie für die Spitex stabil bleibt. Die Überprüfung ergab jedoch, dass die Pflegeheime von den Kassen jährlich 115 Millionen Franken zu wenig, die ambulanten Pflegedienste 32 Millionen zu viel erhalten.

Kantone: «Seltsames Signal»

Zwar hätten die Spitex-Dienste durch die im Juli 2018 veröffentlichte Bilanz vorgewarnt sein können. Da jedoch die Finanzierung der Pflege nach einem Gerichtsentscheid zur Bezahlung von Pflegematerial einer Gesamtüberprüfung unterzogen wird, rechneten die Akteure nicht mit einer isolierten Tarifkorrektur. Das Bundesverwaltungsgericht hatte 2017 entschieden, dass die Kosten für Pflegematerial wie Verbände, Schläuche und Geräte den Krankenkassen nicht mehr separat in Rechnung gestellt werden dürfen.

Auf Druck des Parlaments erarbeitet Bersets Departement nun eine Gesetzesänderung, die die Verrechnung des Pflegematerials an die Kassen wieder ermöglicht. Ebenso prüft Berset, ob die Kassenbeiträge für die Pflege den steigenden Pflegekosten angepasst werden. Wegen dieser offenen Finanzierungsfragen hätten die Kantone nicht damit gerechnet, dass Bersets Departement die Spitex-Beiträge effektiv kürze, sagt Michael Jordi, Zentralsekretär der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren. Das Departement sende damit ein «seltsames Signal» aus. Richtig wäre es, die ambulanten und stationären Leistungen endlich einheitlich zu finanzieren, auch im Pflegebereich.

An sich können sich die Kantone freuen, denn sie werden unter dem Strich um 83 Millionen pro Jahr entlastet. Bersets Departement geht deshalb auch davon aus, dass die Kantone bei den Spitex-Kosten einspringen. Ob die Kantone die Ausfälle vom 1. Januar 2020 an übernehmen, ist jedoch offen. Zumindest laut Gesetz müssen Kantone und Gemeinden die ungedeckten Restkosten für die ambulante und die stationäre Pflege tragen.

«Ein Schlag ins Gesicht»

Allerdings hat jeder Kanton die Restkostenübernahme anders geregelt, teilweise sind auch die Gemeinden zuständig. Dass alle Kantone bis Ende Jahr geklärt haben, wer für die Kürzungen bei der Spitex aufkommt, ist deshalb eher unwahrscheinlich. «Die Beitragskürzung ist ein Schlag ins Gesicht der Pflegefachpersonen, die als Freiberufliche oder in der Spitex tagtäglich die so dringend benötigten Pflegeleistungen erbringen», sagt Yvonne Ribi vom Berufsverband der Pflegefachleute. In der ambulanten Pflege sei es schon mit den geltenden Kassenbeiträgen kaum mehr möglich, kostendeckend zu arbeiten. Diese Situation werde sich nun noch verschärfen. «Das Departement verabschiedet das kurz vor der Sommerpause, während der indirekte Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative in der Vernehmlassung ist und das Pflegematerial immer noch nicht bezahlt wird.»

Der Dachverband der Spitex findet das Vorgehen Bersets irritierend. Die Kürzung widerspreche der Absicht, die Menschen möglichst zu Hause statt im Pflegeheim zu betreuen, sagt Marianne Pfister, Geschäftsführerin von Spitex Schweiz. Unverständlich sei auch, dass das Departement den Entscheid isoliert getroffen habe, statt eine Gesamtanalyse zur Finanzierung der ambulanten Pflege zu machen.

Der Kassenverband Santé-suisse versteht hingegen nicht, warum den Prämienzahlern zusätzliche Kosten von 83 Millionen überwälzt werden – zumal dadurch auch die Pflegebedürftigen stärker belastet würden, wie Sprecher Matthias Müller sagt.