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Ausbildungsoffensive lanciertSo will der Kanton Bern die Pflege ausbauen

Im März beginnt der nächste Studiengang am Bildungszentrum Pflege in Bern.

Rund zwanzig Personen sind an diesem Abend Ende November zum Infoanlass gekommen. Es sind mehrheitlich junge Frauen, die wissen wollen, was sie in der Ausbildung zur diplomierten Pflegefachperson erwartet.

In den Räumen des Berner Bildungszentrums Pflege erfahren sie nun mehr. Entschliessen sie sich für die Ausbildung, werden sie hier an der Höheren Fachschule die Hälfte der Zeit verbringen.

Auch das Finanzielle kommt am Infoabend zur Sprache.

Einige Teilnehmerinnen haben bereits die Lehre als Fachfrau Gesundheit hinter sich und interessieren sich nun für die verkürzten Studiengänge. Alle anderen stehen vor einer dreijährigen Ausbildung, bestehend aus abwechslungsweise je einem Semester Schule und einem Semester Praxis im Spital, bei der Spitex oder in einem anderen Betrieb.

Auch das Finanzielle kommt am Infoabend zur Sprache. Während der Ausbildung erhalten die Studierenden Lohn, je nach Jahr und Studiengang sind es 800 bis 1400 Franken pro Monat. Lassen sie sich während der Ausbildung von einem Betrieb anstellen, können sie mit rund 1000 Franken mehr pro Monat rechnen.

Eine neue Zielgruppe im Blick

In der Fragerunde stehen nicht der Lohn, sondern die Aufnahmebedingungen im Vordergrund.

Im Oktober 2021 gingen Menschen in Bern für ein Ja zur Pflegeinitiative auf die Strasse.

Trotzdem spielt das Geld eine wichtige Rolle in der laufenden Umsetzung der Pflegeinitiative, die von der Schweizer Bevölkerung vor zwei Jahren angenommen wurde: Von den vorgesehenen 500 Millionen Bundesgeldern für eine Ausbildungsoffensive soll ein Teil direkt den Studierenden zugutekommen.

«Das ist dringend nötig», sagt Annina Bosshard auf Anfrage. Die Bernerin ist Co-Präsidentin der Swiss Nursing Students. Ihre Begründung: Die Ausbildung zur diplomierten Pflegefachfrau sei eine Zweitausbildung, «und während der Praxissemester arbeiten die Studierenden als volle Arbeitskraft in einem Betrieb mit».

Die Entschädigung sei aber so gering, dass viele einer Nebenbeschäftigung nachgehen müssten, um den Lebensunterhalt zu bestreiten.

Was ist finanziell tragbar?

Der Kanton Bern hat bereits gehandelt. Studierenden, die sich die Ausbildung nicht leisten können, zahlt er einen Lohn von monatlich 3500 Franken. Jährlich können bis zu 25 Personen neu in dieses Programm aufgenommen werden.

Mehr Lohn für alle Studierenden ist nicht vorgesehen.

«Sollten sich mehr bewerben, gibt es eine Warteliste», sagt Danny Heilbronn, der beim Kanton für die Gesundheitsberufe zuständig ist. Das Programm ist im Herbst gestartet. «Seither werden sechs Personen mit dem höheren Lohn unterstützt, im Frühling werden mindestens 15 weitere dazukommen», sagt Thomas Ruprecht, Direktor des Berner Bildungszentrums Pflege.

Mit diesem Programm setzt der Kanton Bern bereits um, was auch die Pflegeinitiative beabsichtigt: finanzielle Anreize für Personen zu schaffen, die sich bisher aufgrund des tiefen Ausbildungslohns ein Studium nicht leisten konnten.

Im Mai 2022 forderten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des «Walk of Care» in Bern die rasche Umsetzung der vom Volk angenommenen Pflegeinitiative.

Bern kann damit rechnen, dass das Programm künftig im Rahmen der Pflegeinitiative zur Hälfte mit Bundesgeldern finanziert wird.

Ein Giesskannenprinzip – also mehr Lohn für alle Studierenden – ist explizit nicht vorgesehen.

Auch der Kanton Bern erachtet eine generelle Lohnerhöhung als nicht tragbar. Er hat es einmal vorgerechnet, als der Vergleich mit der Polizeiausbildung herangezogen wurde. Dort werden Monatslöhne zwischen 4460 und 5430 Franken bezahlt. Erhielten alle Studierenden der Pflegeausbildung einen Lohn von 5300 Franken, ergäbe dies Mehrkosten von rund 80 Millionen Franken pro Jahr.

Der nationale Berufsverband für Pflegefachpersonen bezeichnet es als «naheliegend», dass Quereinsteigende, die bereits eine Ausbildung oder Familienpflichten hätten, finanziell berücksichtigt werden.

Der Verband verlangt aber, dass «so viele Studierende wie möglich» unterstützt werden. So schreibt er es in seiner Antwort auf die Pläne des Bundes zur Ausbildungsoffensive, die als erste Etappe der Pflegeinitiative umgesetzt werden soll. Sie waren bis letzte Woche in der Vernehmlassung und sind gemäss dem Berufsverband «akzeptierbar». Das entsprechende Gesetz soll kommenden Sommer in Kraft treten.

Auch Betriebe profitieren

Die Ausbildungsoffensive sieht nicht nur Beiträge für Studierende, sondern auch für Praktikumsbetriebe vor. «Das ist ebenfalls wichtig», sagt Annina Bosshard vom Verband Swiss Nursing Students.

Sie verweist auf die Berufsbildner in den Spitälern, Heimen oder bei der Spitex. «Diese brauchen neben attraktiven Arbeitsbedingungen vor allem genügend Zeit, um den Bildungsauftrag umzusetzen. Nur dann profitieren Studierende von einer guten Begleitung während der Praxissemester.»

Auch hier ist der Kanton Bern schweizweit ein Vorreiter. Während andere Kantone erst noch eine gesetzliche Grundlage schaffen müssen, hat Bern die Pflegeinitiative sozusagen vor zehn Jahren vorweggenommen: Er hat 2012 eine Ausbildungspflicht eingeführt.

Vergangene Woche machten Pflegende und die Gewerkschaft Unia mit Medikamentenpackungen auf den Pflegenotstand aufmerksam.

Dazu gibt er – vereinfacht beschrieben – pro Spital, Heim oder Spitex-Betrieb eine bestimmte Anzahl Praktikumsplätze vor, leistet daran aber auch finanzielle Beiträge. Erfüllt ein Betrieb seine Ausbildungspflicht nicht, muss er dem Kanton einen Beitrag bezahlen. Jährlich verteilt Bern so 15 Millionen Franken an 300 Betriebe.

Setzt der Bund die Pflegeinitiative um, kann Bern auch hier künftig mit der Unterstützung durch Bundesgelder rechnen.

Ein Programm für Flüchtlinge

Neben den bereits bestehenden Projekten verfolgt Bern eine weitere Idee: «Wir möchten 40 Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten für die Ausbildung in der Diplompflege rekrutieren», sagt Danny Heilbronn von der Gesundheitsdirektion. Diese geht davon aus, dass es Personen mit bereits guter Ausbildung gibt, die aber Unterstützung bei der Integration und vor allem bei der Sprache benötigen, um die Ausbildung zu schaffen. Die Direktion plant ein entsprechendes Programm, das ebenfalls im Rahmen der Pflegeinitiative durch den Bund unterstützt werden könnte.

Damit gewinnt der Kanton Bern jährlich 65 zusätzliche Abschlüsse.

Auf diese Weise hofft der Kanton Bern, seine Ausbildungszahlen erhöhen zu können, denn der Fachkräftemangel in der Pflege ist akut.

Gemäss Angaben von Danny Heilbronn müssten im Kanton jährlich 650 Personen ein Diplom erwerben, damit die Nachfrage optimal abgedeckt wäre. «Das ist allerdings allein aufgrund der Demografie gar nicht möglich.» Der Kanton Bern strebt deshalb 450 Diplome auf Stufe Höhere Fachschule an. Gemäss Thomas Ruprecht vom Bildungszentrum Pflege waren es in den vergangenen Jahren kantonsweit im Schnitt 370 Abschlüsse pro Jahr.

Sind die Programme für 25 Studierende mit mehr Lohn und für 40 Flüchtlinge mit Unterstützung erfolgreich, gewinnt der Kanton Bern jährlich 65 zusätzliche Abschlüsse.

«Ich habe die Pflege vermisst»

Nach dem Infoanlass bleibt offen, wie viele Teilnehmende sich tatsächlich für die Ausbildung entscheiden. Sie können sich bis Ende Januar anmelden, Mitte März beginnt die Ausbildung.

Vielleicht lassen sie sich vom anwesenden Studenten inspirieren, der aus seinem Alltag berichtet. Da er bereits Fachmann Gesundheit ist, absolviert er den verkürzten Studiengang. «Ich schätze es, dass ich mein Fachwissen aus der Lehre nun vertiefen kann», sagt er und erzählt, wie er zum Beispiel gelernt habe, Blutwerte besser zu interpretieren oder professioneller zu kommunizieren.

Zuvor hatte der junge Mann seinen Beruf für drei Jahre an den Nagel gehängt und in der Privatwirtschaft gearbeitet. Zurück in die Pflege kam er, «weil ich sie vermisst habe».