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Die neue St.Galler Spitex AG startet mit erheblichen Turbulenzen. Die Kündigungen von 22 Mitarbeitenden lassen aufhorchen. Die St.Galler Fraktionspräsidentinnen und -präsidenten sind gespalten: Die einen stärken die Spitexverantwortlichen, andere fordern die Stadt auf, offene Fragen zu prüfen.
In der neuen Spitex St.Gallen AG rumort es. Wie Recherchen dieser Zeitung offenlegten, haben seit dem Betriebsbeginn der Einheitsspitex Anfang Jahr bereits 22 Mitarbeitende gekündigt. Sie könnten sich nicht mit der neuen Pflegephilosophie identifizieren. Diese Vorgänge haben bereits die Politik auf den Plan gerufen. Die beiden SP-Stadtparlamentarierinnen Maja Dörig und Alexandra Akeret werden einen Vorstoss einreichen. Was sagen die Fraktionspräsidentinnen und Fraktionspräsidenten in Sachen Spitex?
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Felix Keller, Fraktionspräsident der FDP und Jungfreisinnigen (JF), äussert sich klar: «Eine Fusion führt immer zu Abgängen aus unterschiedlichen Gründen.» Manchmal könne auch eine persönliche Enttäuschung von ehemaligen oder aktiven Mitarbeitenden zugrunde liegen. Besonders sei der Umstand, dass vorwiegend ehemalige Mitarbeitende der Spitex St.Gallen Ost das neue Unternehmen verlassen.
Aufgrund der Berichterstattung gehe die FDP davon aus, dass die Fluktuation von Mitarbeitenden der anderen ehemaligen Spitexorganisationen (Centrum, Notker und West) tief sei. «Erstaunlich ist zudem, dass mit Bekanntwerden der Kündigungen gewisse Kreise im Stadtparlament bereits Vorstösse ankündigen», sagt Keller.
«Es darf nicht darum gehen, den Spitexverantwortlichen Steine in den Weg zu legen.»
Denn: Die FDP sei überzeugt, dass die neue Spitex St.Gallen AG richtig aufgestellt sei und die Bewältigung der Aufgaben aktuell und in Zukunft gut erfüllen könne. «Dem Verwaltungsrat und der Geschäftsführung ist der Rücken zu stärken.»
Patrik Angehrn möchte keine weitergehende Beurteilung abgeben, da ihm keine Details in Sachen Spitex bekannt seien. Doch er sagt: «Die CVP/EVP-Fraktion befürwortete den Zusammenschluss der vier Spitexeinheiten.» Mit einer Organisation könnten die Herausforderungen in der Pflege besser gelöst werden.
Bei jedem Erneuerungsprozess müssten Abläufe geprüft und vereinheitlicht werden. Dadurch könnten bewährte Gewohnheiten ändern. Das sei für verdiente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht einfach. Ein solcher Prozess setze Fingerspitzengefühl der Verantwortlichen voraus. Angehrn fordert:
«Die Mitarbeitenden sollen angehört und ihre Erfahrungen einbringen können. Dies darf keine Alibi-Übung sein.»
Es sei schlecht, wenn gute Mitarbeitende die Organisation verlassen. Denn es herrsche ein grosser Fachkräftemangel.
Die SP/Juso/PFG-Fraktion habe sich für eine Organisation der Einheitsspitex als unselbstständiger Stadtbetrieb wie die VBSG und die Stadtwerke eingesetzt, sagt Fraktionspräsident Daniel Kehl. Eine Mehrheit des Stadtparlaments habe aber die heutige Lösung gewollt. Kehl sagt:
«Die aktuelle Umsetzung des Leistungsauftrages lässt nun aufhorchen.»
Es stellten sich Fragen, wie der Vorsorgeauftrag durch die neue Spitex eingehalten und die Qualität der Leistungserbringung überprüft werde. «Muss man auf teure private Anbieter ausweichen, um weiterhin gute Leistungen zu erhalten?», fragt Kehl. Die Stadt werde aufgefordert, diese Fragen umgehend zu prüfen, denn in Zukunft würden viel mehr Menschen auf ambulante Unterstützung angewiesen sein.
Der Fraktionspräsident der Grünen/Jungen Grünen ist erschüttert ob der Vorgänge bei der Spitex. Andreas Hobi sagt: «Die vielen Rücktritte schockieren mich. Das nur als branchenübliches Niveau abzuhandeln, finde ich definitiv zu kurz gegriffen.»
Delikat finde er, dass die meisten der Abgänge früher in der sehr gut funktionierenden Spitex Ost mitgearbeitet hätten, die sich mit der Fusion aufgrund ihres «guten Zustandes» am schwersten getan habe.
«Unsere Fraktion erwartet, dass die Direktion Soziales und Sicherheit der neuen AG klar auf die Finger schaut, damit die Pflegenden so arbeiten können, dass sie es mit ihrem Berufsverständnis vereinbaren können.»
Wer wolle denn schon zu Hause von drei unterschiedlichen Pflegenden der Reihe nach betreut werden?
Für die SVP sei die Versorgungssicherheit bezüglich der Spitex wichtig, sagt Fraktionspräsidentin Karin Winter-Dubs. Doch die SVP werde sich zur Spitex St.Gallen AG vorläufig nicht äussern. Denn: Die Kommission Soziales und Sicherheit habe für die nächste Sitzung am kommenden Montag das Thema Spitex traktandiert.
«Da ich dieser Kommission als Präsidentin vorstehe, finde ich es nicht angemessen, mich vorab zu äussern.»
Die Kommission habe das Thema bereits vor einiger Zeit traktandiert, da die Spitex eine neue Organisation sei und sie sich der Kommission vorstellen werde.
«Dass die Bildung der Einheitsspitex keine einfache Aufgabe werden würde, hatte sich abgezeichnet», sagt Jacqueline Gasser-Beck. Die Fraktionspräsidentin der GLP und Jungen Grünliberalen fügt an, dass eine umfangreiche Umstrukturierung meistens Unruhe in eine Organisation bringe.
«Dass einzelne Mitarbeitende eine strategische Neuausrichtung, die immer auch Prozessänderungen mit sich bringt, nicht mitgehen wollen und sich deshalb neu orientieren, ist nicht überraschend.»
Entscheidend für den erfolgreichen Change-Managementprozess werde sein, dass es der Führung gelinge, ein gemeinsames Verständnis für eine qualitativ hochstehende Pflegeleistung zu entwickeln. Genauso wichtig sei es aber auch, eine gemeinsame Wertekultur zu entwickeln. «Diese Prozesse brauchen Zeit; Zeit, die wir allen Beteiligten zugestehen sollten.»