Wängi
Zurück zum Dorffrieden? Wängi steht vor einer sehr speziellen Bürgerversammlung

Die Wängemer Stimmbürger sind am 1. Juli zu einer ausserordentlichen Gemeindeversammlung eingeladen. Der Anlass soll vor allem Wogen glätten.

Olaf Kühne
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Die Spitex Wängi hat noch bis Ende Jahr eine Leistungsvereinbarung mit der Gemeinde.

Die Spitex Wängi hat noch bis Ende Jahr eine Leistungsvereinbarung mit der Gemeinde.

(Bild: Roman Scherrer)

Die wohl speziellste Gemeindeversammlung seit langem steht in zwei Wochen in Wängi auf der Agenda. Wenige Tage, nachdem die Wängemer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger an der Urne über die Rechnungsabschlüsse von Schule und Gemeinde befunden sowie ein 18-Millionen-Schulprojekt abgesegnet haben, finden sie in ihrem Briefkasten die Einladung zur Gemeindeversammlung vom 1. Juli, säuberlich verpackt in einem Couvert mit Stimmrechtsausweis und allem, was dazugehört.

Speziell ist: An dieser Gemeindeversammlung geht es – genau genommen – um nichts. Zumindest wird über nichts abgestimmt. Mit einer Unterschriftensammlung erzwungen hat den Anlass das «Komitee Spitex Wängi», eine Gruppe von Bürgern, die sich nicht damit abfinden will, dass der Wängemer Gemeinderat per Ende 2021 die Leistungsvereinbarung mit der örtlichen Spitex aufgelöst hat.

Thomas Goldinger Gemeindepräsident Wängi

Thomas Goldinger Gemeindepräsident Wängi

(Bild: Olaf Kühne)

Zwar hat der Wängemer Gemeinderat längst mit der Spitex Regio Tannzapfenland eine neue Leistungsvereinbarung getroffen und auch ausführlich und plausibel – unter anderem in dieser Zeitung – dargelegt, was ihn zu diesem Schritt veranlasst hat: Aufgrund ihrer geringen und wegen des stetig zunehmenden administrativen Aufwands nicht mehr zeitgemässen Grössen verursacht die Spitex Wängi dem Steuerzahler weit überdurchschnittliche Kosten.

Ein Blick auf vergleichbare Thurgauer Gemeinden hat laut Gemeindepräsident Thomas Goldinger gar ergeben, dass Wängi diesbezüglich an einsamer Spitze liegt. Weiter ist inzwischen bekannt, dass die Spitex Regio Tannzapfenland, welche bereits für die Hinterthurgauer Gemeinden Bichelsee-Balterswil, Eschlikon, Fischingen, Münchwilen, Rickenbach und Sirnach zuständig ist, Mitarbeitende und Lernende der Wängemer Spitex übernehmen will.

Komitee wollte Traktandenliste festlegen

Davon lässt sich das Komitee indes nicht beirren und beharrt weiterhin auf der ausserordentlichen Gemeindeversammlung. Im April veröffentlichte die Gruppe im «Wängenerblättli» gar seine eigene Traktandenliste. Allerdings ohne den Gemeinderat vorab darüber zu informieren – und ohne zu respektieren, dass die Behörde für die Festlegung von Gemeindeversammlungstraktanden zuständig ist.

Eine ziemlich verkachelte Situation also. Der Gemeinderat will ihr nun mit einer möglichst sachlichen Versammlung begegnen. Diese Wochen erhielten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Botschaft. Vier Traktanden stehen darin, von denen keines eine Abstimmung vorsieht. Gleich zu Beginn erklärt der Gemeinderat, weshalb das so ist: Die vom Komitee geforderte Abstimmung über den bereits gefällten Spitex-Entscheid stünde schlicht im Widerspruch zur Wängemer Gemeindeordnung.

So werden denn am 1. Juli Gemeindepräsident Thomas Goldinger und der Gemeinderat ausführlich und über vier Traktanden erklären, weshalb die Behörde so entschieden hat, wie sie entschieden hat – und wie sich die Spitex-Dienstleistungen mit der neuen Vertragspartnerin ab 2022 darstellen werden.

Gut fünfstelliger Mehraufwand

Im Gespräch mit unserer Zeitung zeigt sich Gemeindepräsident Goldinger überzeugt, dass es mit sachlichen Argumenten gelingen dürfte, die einst so hoch geschwappten Wellen wieder zu beruhigen. Er gesteht aber auch freimütig:

«Wahrscheinlich hätten wir unseren Entscheid bereits im vergangenen Winter besser kommunizieren können.»

Sollte es durch die ausserordentliche Gemeindeversammlung gelingen, den Dorffrieden wiederherzustellen, hätte sich zumindest der beträchtliche Aufwand für den Anlass gelohnt. Muss er doch aufgrund der zu erwartenden Teilnehmerzahl, und auch wegen Corona, in die Dammbühlhalle verlegt werden. Weil diese aber eine reine Sporthalle ist, muss ihr Boden abgedeckt werden. Und weil auch Druck und Versand von 3200 Versammlungsbotschaften und Stimmrechtsausweisen ins Geld gehen, schätzt Goldinger den finanziellen Mehraufwand auf «gut fünfstellig».