Wängi
«Fühlen uns für gute Arbeit schlecht belohnt»: Gemeinde löst Vereinbarung mit örtlicher Spitex auf

Weil ihm die Kosten pro Einwohner zu hoch sind, trennt sich der Wängemer Gemeinderat per Ende Jahr vom örtlichen Spitex-Verein. Dieser steht damit vor dem Aus. Beide Parteien sind aber zuversichtlich, für Mitarbeitende und Kunden eine gute Lösung zu finden.

Roman Scherrer
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Ein Schild weist an der Dorfstrasse 6 auf den Eingang der Wängemer Spitex-Geschäftsstelle hin.

Ein Schild weist an der Dorfstrasse 6 auf den Eingang der Wängemer Spitex-Geschäftsstelle hin.

Bild: Roman Scherrer

Selten lässt eine Mitteilung aus Wängi mehr aufhorchen als diese: Die Politische Gemeinde hat die Leistungsvereinbarung mit dem örtlichen Spitex-Verein per Ende 2021 aufgehoben. Grund dafür sind die Kosten, wie Gemeindepräsident Thomas Goldinger erklärt:

«In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass die Gemeinde Wängi hohe oder teilweise gar die höchsten Kosten pro Einwohner im gesamten Kanton Thurgau zu tragen hat.»

Aus Statistiken des Spitex Verbands Thurgau geht hervor, dass in die Kosten pro Einwohner für die Gemeinde Wängi 2018 und 2019 jeweils im Bereich von 80 Franken lagen. Zum Vergleich: Die Gemeinde Aadorf hatte in diesen Jahren jeweils 40 bis 50 Franken pro Einwohner zu tragen.

Mit diesen Kosten beschäftigte sich der Wängemer Gemeinderat über mehrere Jahre, hatte deswegen sogar Experten zur Unterstützung beigezogen. Auch Massnahmen wurden getroffen. «Unter anderem die Ausarbeitung einer neuen Leistungsvereinbarung, welche auf den minimalen gesetzlichen Vorgaben basiert», erklärt Goldinger. Zudem sei die Spitex Wängi intern Themen wie Produktivität und Kostensenkungen angegangen. Das alles habe aber aus Sicht der Gemeinde «nicht die gewünschte Wirkung erzielt», wie der Gemeinderat schreibt. Mit der aktuellen Leistungsvereinbarung könne die Spitex Wängi zudem finanziell kaum überleben.

Thomas GoldingerGemeindepräsident Wängi

Thomas Goldinger
Gemeindepräsident Wängi

Bild: PD

Die betriebswirtschaftliche Analyse habe allerdings eine Erkenntnis gebracht, wie Goldinger berichtet: «Sie hat gezeigt, dass die Spitex Wängi nicht genügend gross ist, um wirtschaftlich erfolgreich betrieben werden zu können.» Deshalb wird der Gemeinderat für die ambulante Krankenpflege ab nächstem Jahr eine neue Vereinbarung mit einer anderen Organisation abschliessen.

Für die Neuausrichtung habe der Vorstand der Spitex Wängi grundsätzlich Verständnis, erklärt Vereinspräsident Karl Scheck. In Bezug auf die Einwohnerzahl sei man nämlich die kleinste Spitex im Kanton. Allerdings war der Vereinsvorstand nicht damit einverstanden, dass die Leistungsvereinbarung bereits per Ende 2021 aufgehoben werden soll. Scheck sagt dazu:

«Eine Frist von drei bis fünf Jahren hätte uns die Möglichkeit gegeben, die Neuausrichtung für die Mitglieder, die Kunden und nicht zuletzt für die Mitarbeitenden verträglicher zu gestalten.»

Der Vorstand habe vom Gemeinderat entsprechend ein Bekenntnis für diesen Zeitraum verlangt.

Karl ScheckPräsident Spitex Wängi

Karl Scheck
Präsident Spitex Wängi

Bild: PD

Zum Thema Kosten betont Scheck: «Unsere Einsätze sind medizinisch indiziert, ärztlich verordnet und von den Krankenkassen überprüft.» Zudem werde man periodisch vom kantonalen Gesundheitsamt kontrolliert. «Wir machen unsere Arbeit korrekt, nach bestem Wissen und Gewissen. Wir erfüllen die gesetzliche Leistungspflicht, diese lässt uns keinen Spielraum, indizierte Einsätze abzusagen.» Bei den Kosten pro geleistete Stunde sei man im oder gar unter dem kantonalen Durchschnitt. In der Medienmitteilung des Gemeinderats erklärt die Spitex Wängi die höheren Kosten pro Einwohner mit einem höheren Stundenaufwand pro Kunde als in vergleichbaren Gemeinden. Dies deute auf «komplexere Fälle» hin.

Der Vorstand, die Geschäftsleitung sowie die Mitarbeitenden würden mit Herzblut für die Spitex Wängi arbeiten, bekräftigt Karl Scheck und fügt an:

«Die Qualität der Arbeit war und ist immer gut. Das belegen auch die vom Verband periodisch durchgeführten Kundenbefragungen.»

Für die jahrelang gute Arbeit fühle sich der Verein deshalb nun schlecht belohnt.

Auch der Gemeinderat hält fest, dass er «die gute Qualität und die engagierte Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Spitex Wängi schätzt». Sein Entscheid ist jedoch gleichbedeutend mit dem Ende der Geschäftstätigkeit des Vereins ab kommendem Jahr. Vorstand und Geschäftsleitung würden sich deshalb nun mit aller Kraft für eine gute Anschlusslösung für alle Mitarbeitenden einsetzen, sagt Scheck. «Dasselbe gilt natürlich auch für unsere Kunden.» Man sei in dieser Hinsicht aber zuversichtlich.

Ins gleiche Horn stösst Thomas Goldinger. Man sei mit anderen Leistungserbringern in Verhandlungen, erklärt der Gemeindepräsident. «Zum jetzigen Zeitpunkt ist es aber noch zu früh, weiteres dazu zu kommunizieren.»