Gesundheit
«Vorher war ich Marathonläufer, jetzt bin ich Triathlet» – das sagt nicht ein Sportler, sondern der neue Chef der Spitex Toggenburg

Der Gesundheitsexperte Gunnar Schrör ist seit gut 100 Tagen im Amt als Geschäftsführer der Spitex Toggenburg. Er folgte auf Hélène Spielhofer, die nach einer Fusion die neu geschaffene Spitex-Organisation interimistisch leitete. Ein Besuch in Wattwil.

Sascha Erni
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Begleitet Klientinnen und Klienten in deren Privaträumen: Eine Mitarbeiterin der Spitex Toggenburg bei einem Einsatz in Wattwil.

Begleitet Klientinnen und Klienten in deren Privaträumen: Eine Mitarbeiterin der Spitex Toggenburg bei einem Einsatz in Wattwil.

Bild: Sascha Erni

Gut gelaunt und mit elastischem Schritt führt Gunnar Schrör zu seinem Büro an der Bahnhofstrasse in Wattwil. Noch vor drei Monaten sass an seinem Tisch Hélène Spielhofer, die nach ihrer Pensionierung die Geschicke der neu fusionierten Spitex Toggenburg an ihn übergeben hat. Sie führte die Spitex durch ein schwieriges Fusionsjahr, auf dem Schrör nun aufbauen kann (diese Zeitung berichtete).

Der sportliche erste Eindruck täuscht nicht. Gunnar Schrör ist zwar beruflich seit einem Vierteljahrhundert in der Gesundheitsversorgung tätig, in Stabsstellen und der Unternehmensentwicklung. Auch hat er einen Hintergrund als Volkswirtschafter. «Aber eigentlich bin ich Ex-Hürdenläufer», sagt er. Der heute 55-Jährige darf sich fünffacher Schweizer Meister nennen. Mitte der 90er-Jahren qualifizierte er sich sowohl für die Europameisterschaften als auch die Weltmeisterschaften. Lange Zeit trainierte er den Nachwuchs und rannte Marathonläufe.

Von der Stabsstelle an die Front

Gunnar Schrör, Geschäftsführer der Spitex Toggenburg.

Gunnar Schrör, Geschäftsführer der Spitex Toggenburg.

Bild: Manuel Fässler

Der Beruf jedoch war wenig vom Sport geprägt. In seinen früheren Positionen war Schrör auf Spitäler fokussiert und hat beispielsweise die Einführung der Fallpauschalen im Kanton St.Gallen begleitet. Managementerfahrung «an der Front» bringt er nicht mit. Die Geschäftsleitung der Spitex Toggenburg habe ihn aber aus gleich mehreren Gründen gereizt. Einerseits sei der ambulante Sektor, wie ihn die Spitex betreut, ein wichtiger Sektor, der sich stetig entwickelt. Diese Dynamik interessiere ihn.

Dann sei die Region an und für sich spannend. «Im Toggenburg gibt es ganz andere Herausforderungen, eine gesundheitliche Grundversorgung wie in der Stadt gibt es hier nicht.» Eine engere Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen mit den Hausärztinnen und Hausärzten sei ein Muss, ebenso mit Leistungserbringern oder Institutionen wie beispielsweise der Berit-Klinik oder den Freiwilligen von Zeitgut Toggenburg. Die Spitex sieht er in einer Schnittstellen-Position. Auch, weil sie im Toggenburg eine soziale Funktion einnimmt.

Die soziale Begleitung ausbauen

Durch die Streusiedlungen und Weitläufigkeit des Toggenburgs habe die Spitex eine weiterreichende Verantwortung als anderswo. «Die Menschen leben sehr oft an der Peripherie, und oft alleine.» Hier sieht Schrör besonders die Dienste der Spitex-Hauswirtschaft gefragt. «Die Hauswirtschaft ist länger vor Ort als der Pflegedienst, hört und sieht mehr.» Etwa, wenn ein Klient verwahrlost oder eine Klientin Zeichen einer depressiven Verstimmung zeigt.

Blick auf das Streusiedlungsgebiet in Unterwasser.

Blick auf das Streusiedlungsgebiet in Unterwasser.

Bild: Gian Ehrenzeller / Keystone

Das ist auch eines von Schrörs Hauptzielen für dieses, sein erstes Jahr: den Fokus auf die soziale Betreuung zu setzen. Es sei ein Privileg, die Gesamtsituation der Klienten wahrnehmen zu dürfen, also müsse die Spitex hier auch Unterstützung bieten, etwa bei der Verzahnung mit den Hausärztinnen und Hausärzten der Region. «Wir können keine psychologische Betreuung leisten», betont Gunnar Schrör, «aber wir können helfen, falls nötig eine solche Betreuung zu ermöglichen.»

Klienten vor Ort besucht

Gunnar Schrör besuchte Klientinnen und Klienten während seiner Einarbeitungszeit vor Ort.

Gunnar Schrör besuchte Klientinnen und Klienten während seiner Einarbeitungszeit vor Ort.

Bild: Manuel Fässler

Noch lebt sich Gunnar Schrör in seiner neuen Funktion ein – und auch in der Region. Er ist in Waldkirch aufgewachsen und wohnt heute «überäne» in Männedorf. Die Übergabe von seiner Vorgängerin war fliegend, sie begleitete ihn rund eineinhalb Monate lang. Im Gegenzug hat er Mitarbeitende bei ihren Einsätzen vor Ort begleitet, um ein Gespür für die Arbeit mit den Klientinnen und Klienten zu bekommen.

Die Arbeit sei vielschichtig, so Schrör. Einerseits stünden die Mitarbeitenden im Fokus, mit allen Altlasten der früheren Strukturen, als noch zwei Spitex-Organisationen mit verschiedenen IT-Systemen und Arbeitskulturen wirkten. Andererseits müsse er die Koordination zwischen Spitex und gleich fünf Gemeinden sicherstellen. Statt sich wie in vorherigen beruflichen Positionen auf eine Sache konzentrieren zu können, sei er als Geschäftsführer der Spitex Toggenburg also an mehreren Fronten gefordert. Früher sei er einfach Marathon gelaufen, sagt Schrör und lacht: «Heute bin ich Triathlet.»

Neuer Vorstand für die Spitex Toggenburg

Vergangene Woche führte Gunnar Schrör durch seine erste Hauptversammlung als Geschäftsführer der Spitex Toggenburg. Rechnung und Budget wurden diskussionslos von der Versammlung angenommen. Ebenso gab es bei den Erneuerungswahlen für den Vorstand keinen Widerspruch. Neu sitzen Iris Lenz (Präsidentin, Mosnang), Peter Anderegg (Wattwil), Evelyne Hunziker (Appenzell), René Kuster (Wattwil) und Kristin Neumann (Wil) im Vorstand ein. «Es ist quasi ein Neustart», sagt Schrör. (ser)