Altersbetreuung
Spitex wird nachtaktiv - ein Meilenstein

Vier Spitex-Organisationen im oberen Kantonsteil bieten ab März als Pilotprojekt einen Nachtdienst an.

Andreas Hirsbrunner
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Claudia Aufdereggen hat das neue Angebot gepusht.

Claudia Aufdereggen hat das neue Angebot gepusht.

Kenneth Nars

Claudia Aufdereggen, Geschäftsleiterin der Spitex Regio Liestal, wählt ihre Worte in der Regel mit Bedacht. Umso mehr lässt aufhorchen, wenn sie beim neusten Vorhaben von «einem Meilenstein in der ambulanten Gesundheitsversorgung» redet. Denn das Ganze hat fürs Baselbiet Pioniercharakter.

Konkret geht es um das auf knapp drei Jahre ausgelegte Pilotprojekt «regionaler Nachtdienst», das die vier Spitex-Organisationen Regio Liestal, Lausen plus, Waldenburgertal und Thürnen-Diepflingen am 9. März starten; die vier Organisationen decken 26 Gemeinden ab. Weitere Player sind der Kanton, der während der Pilotphase die Differenz zwischen den Patienten in Rechnung gestellten Kosten und den Vollkosten abdeckt, und die Fachhochschule Nordwestschweiz, die das Projekt begleitet und auswertet.

Die 26 gefärbten Gemeinden machen beim Pilotprojekt mit.

Die 26 gefärbten Gemeinden machen beim Pilotprojekt mit.

Zur Verfügung gestellt

Nachtteam ist von 22 bis 7 Uhr im Einsatz

Zweck des Nachtdiensts sei, die Selbstständigkeit von Kunden im Sinne des neuen Altersbetreuungs- und Pflegegesetzes möglichst lange aufrecht zu erhalten. «Wie gross Bedarf und Wirksamkeit effektiv sind, soll die Pilotphase zeigen», sagt Aufdereggen.

Bis jetzt ist das Baselbiet mit Ausnahme von ein paar Agglo-Gemeinden, die Verträge mit Spitexpress Basel haben, Brachland, was die ambulante pflegerische Betreuung in der Nacht betrifft. Das im Gegensatz zu andern Kantonen. Trotzdem rannten die vier Spitex-Organisationen längst nicht nur offene Türen ein. Aufdereggen sagt, dass die Vorbereitungsarbeiten und Verhandlungen für den «regionalen Nachtdienst» drei Jahre gedauert hätten. Einige Spi- tex-Organisationen seien bei der Konzeptentwicklung abgesprungen. Auch habe es Widerstände von Gemeinden gegeben, die den Bedarf nicht sehen.

Und so funktioniert das Pilotprojekt unter der Geschäftsführung der Spitex Regio Liestal: Das neu gebildete Spitex-Nachtteam startet im März mit vier Personen; bei Bedarf wird aufgestockt. Eine Pflegefachperson ist jeweils von zehn Uhr nachts bis sieben Uhr morgens im Projektperimeter im Einsatz. Aufgeboten wird sie von der jeweils zuständigen Spitex-Organisation, also zum Beispiel für einen Einsatz in Langenbruck von der Spitex Waldenburgertal.

Oder bei einem nächtlichen Hilferuf von der medizinischen Notrufzentrale. Diese macht die Triage, ob es sich um einen medizinischen Notfall mit Spitaleinweisung oder um einen pflegerischen Notfall handelt, bei dem sie dann eben den Spi- tex-Nachtdienst aufbietet.

Die Selbstständigkeit von Kunden soll möglichst lange erhalten bleiben.  

(Quelle: Claudia Aufdereggen, Leiterin Spitex Regio Liestal)

Aufdereggen rechnet vor allem mit Hilfeleistungen im Bereich Inkontinenz, Umlagern und Ähnlichem, um die Angehörigen zu entlasten, um Kontrollbesuche bei Demenzkranken oder um Pflegehandlungen wie ein Verbandwechsel bei frühzeitigen Spitalentlassungen.

Lob und eine schöne Stange Geld vom Kanton

Gabriele Marty, beim kantonalen Amt für Gesundheit Leiterin der Abteilung Alter, lobt: «Wir sind sehr froh um dieses Pilotprojekt und sind gespannt auf die Ergebnisse.» Und sie ergänzt: «Wir gehen von einem Bedarf aus, wenn man die Lücke in der Nacht schliesst.»

Der Kanton hat mit den vier Spitex-Organisationen eine Leistungsvereinbarung von 2020 bis 2022 abgeschlossen und ein Kostendach von 370000 Franken festgelegt. Dieses Geld stamme von den zwei Millionen Franken, die der Landrat mit der Genehmigung des neuen Altersbetreuungs- und Pflegegesetzes für innovative Projekte gesprochen habe, sagt Marty.

Wird das Pilotprojekt nach 2022 in ein Definitivum umgewandelt, müssen die Gemeinden respektive die neu zu bildenden Versorgungsregionen die Finanzierungslücke bei den erbrachten nächtlichen Pflegeleistungen übernehmen. Auf der Gegenseite sparen sie bei den Pflegekosten, wenn Betagte dank der neuen Spitex-Leistung nicht vorzeitig in ein Pflegeheim gehen müssen.