Nidwalden
Dieser Maturand hat den Bedarf an Altenpflege untersucht – und einen Mangel an Wohnangeboten festgestellt

In Nidwalden fehlen bezahlbare Alterswohnungen. Zu diesem Schluss kommt der Oberdorfer Ralph Daucourt in seiner Maturaarbeit.

Marion Wannemacher
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Sportlich kommt er auf dem Velo daher. In seiner Freizeit spielt Ralph Daucourt «Ultimate Frisbee» und war bereits in der Schweizer Nati bei zwei Junioren-Europameisterschaften dabei. Ausserdem fährt er gern Mountainbike. Für seine Maturaarbeit am Kollegium St. Fidelis in Stans hat er sich ein für sein Alter ungewöhnliches Thema ausgesucht. Fast ein Jahr lang befasste sich der Oberdorfer mit der Zukunft der Nidwaldner Altenpflege.

Maturand Ralph Daucourt im Kollegium St. Fidelis.

Maturand Ralph Daucourt im Kollegium St. Fidelis.

Bild: Marion Wannemacher (Stans, 16. Dezember 2020)

Sein Interesse kommt nicht von ungefähr: «Meine Urgrossmutter lebte in Delémont in einem Heim. Wir haben sie immer mal wieder besucht.» Er habe sich überlegt, wie es sei, wenn Menschen ihr persönliches Umfeld verlassen müssen, und was es brauche, damit es am neuen Ort an nichts fehle. «Bei ihr war das leider nicht der Fall», erzählt er. «Sie hat ihr Haus sehr vermisst.» Die entscheidende Idee für seine Maturaarbeit stammte von seiner Mutter, Silvia Daucourt, Schulratspräsidentin in Oberdorf. Sie erinnerte ihn daran, dass der demografische Wandel für Probleme in der Altenpflege sorgen werde. «Wir hatten diesen in der Schule zwar angeschaut, jedoch nie aus der Perspektive der Altenpflege», schreibt der 18-Jährige in seinem Vorwort.

Grundlagen durch Statistiken und Nidwaldner Fachleute

Daten vom Bundesamt für Statistik, aus dem Internet und Büchern schafften die Grundlage für seine Bestandsaufnahme der aktuellen Altenpflege in Nidwalden. «Gut geholfen haben mir auch meine Interviewpartner.» Ralph Daucourt befragte Denise Bürkler vom Gesundheitsamt Nidwalden, Walter Wyrsch, den Geschäftsführer der Spitex Nidwalden, und Peter Wechsler, den Heimleiter des Felsenheims in Sachseln. Walter Wyrsch zeigte sich sehr angetan von Daucourts Anfrage. «Es ist nicht selbstverständlich, dass sich ein junger Mann des Themas annimmt. Ich bin äusserst begeistert über diese grosse und sorgfältige Arbeit.»

Walter Wyrsch, Geschäftsführer der Spitex Nidwalden.

Walter Wyrsch, Geschäftsführer der Spitex Nidwalden.

Bild: Sibylle Kathriner

Daucourt setzte sich auseinander mit den Eckdaten rund um Heimeintritt und Alter. So belegt er, dass vor drei Jahren Männer im durchschnittlichen Alter von 78,8 in der Schweiz und Frauen im Alter von 82,8 Jahren ins Heim eintraten. Im Schnitt würden sie nach den Angaben des Maturanden weniger als zweieinhalb Jahre im Heim verbringen, fast die Hälfte sogar weniger als ein Jahr im Heim. Die Spitex Nidwalden betreute 2019 rund 650 Klienten im Sektor der Pflege. 44 Prozent aller Klienten sind über 80 Jahre alt.

Die Arbeit beleuchtet auch das betreute Wohnen, wie in der Stansstader Riedsunnä in Eineinhalb- bis Vier-Zimmer-Wohnungen mit Grunddienstleistungen wie Pikettdienst der Spitex rund um die Uhr, Lieferservice für Mittagessen oder Fahrdienst. Das alternative Modell des Generationen-Wohnens, bei dem verschiedene Altersgruppen voneinander profitieren könnten, sei dagegen in Nidwalden erst noch am Entstehen.

«Die Bedürfnisse haben sich geändert»

Daucourt schildert in seiner Arbeit auch den historischen Wandel der Strukturen in der Altenpflege. Diese fand früher vor allem in der Grossfamilie statt. «Die Bedürfnisse haben sich geändert», konstatiert Daucourt.

«Die Betagten sind oft einen hohen Lebensstandard gewohnt, den sie nicht aufgeben möchten.»

Gemäss einer Studie des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums werden im Kanton Nidwalden bis 2035 441 Pflegebetten für Menschen ab 65 Jahre benötigt werden – ein Bedarf, der bereits jetzt gedeckt ist. Würden allerdings 2035 immer noch – wie es heute der Fall ist – viele Menschen ohne Pflegebedarf in Alters- und Pflegeheimen wohnen, würde sich der Bettenbedarf auf 758 oder mehr erhöhen. Der Kanton setzt darauf, dass Betagte solange wie möglich zu Hause bleiben und von der Spitex oder eigenen Angehörigen gepflegt werden können. Was fehlt, sind bezahlbare Alterswohnungen. Dazu kommt der vorhersehbare Mangel an Pflegepersonal.

Umfrage stützt die Hypothesen der Arbeit

Daucourt hat auch eine Umfrage zum Thema unter den betroffenen Baby-Boomer-Jahrgängen gestartet. Pro Senectute half, diese an die Mitglieder zu bringen. 69 haben sich beteiligt. 88 Prozent der Befragten bevorzugen, im Alter zu Hause zu bleiben. Als häufigsten Grund gaben sie dafür die eigene Selbständigkeit an, aber auch den Wunsch, solange wie möglich in den eigenen vier Wänden und im sozialen Umfeld zu bleiben.

Drei Viertel aller Befragten können sich vorstellen, im betreuten Wohnen gepflegt zu werden. Allerdings sieht Ralph Daucourt ein Problem im Mangel an bezahlbaren Alterswohnungen: In Nidwalden seien bislang nur Einzelprojekte in Planung, wie er dem Altersleitbild des Kantons entnehme. «Das betreute Wohnen sowie das Mehrgenerationen-Wohnen sollten in Nidwalden gefördert werden», findet er. «Es fehlen kleine, erschwingliche Wohnungen im Zentrum, die alte Leute beziehen können, sobald sie allein in ihrem Haus nicht mehr zurechtkommen.»

Und wie könnte sich der 18-Jährige selbst sein Alter vorstellen? «Wenn ich darüber nachdenke – zu Hause. In meiner Freizeit jasse ich gern mit Kollegen. Das würde ich später auch gern an einem Stammtisch tun.»

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