Kantone werben um Pflegende

Um den Personalmangel in Heimen zu bekämpfen, zahlen Ostschweizer Kantone Kurse für Wiedereinsteigerinnen.

Nina Rudnicki
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Wiedereinsteigerinnen haben im Pflegealltag oft keine Bezugsperson, an die sie sich wenden können.

Wiedereinsteigerinnen haben im Pflegealltag oft keine Bezugsperson, an die sie sich wenden können.

Bild: Gaëtan Bally/Keystone

In den Schweizer Spitälern, Heimen und bei der Spitex fehlen Tausende Pflegefachpersonen. Um diesen Mangel zu reduzieren, hat der Bund im vergangenen Jahr ein Projekt lanciert: Er finanziert Wiedereinstiegskurse für Pflegefachpersonen, die in den Beruf zurückkehren möchten, zu 50 Prozent. Bedingung ist allerdings, dass der jeweilige Wohnortkanton ebenfalls 50 Prozent an die Kurskosten beisteuert.

Die Kantone St. Gallen, Thurgau und Appenzell Ausserrhoden haben sich nun bereit erklärt, diese Kosten zu übernehmen. Und im Kanton Appenzell Innerrhoden unterstützt die Stiftung für Unterstützungsleistungen in den Bereichen Krankenpflege und Betreuung die diplomierten Pflegefachpersonen, die wieder in den Beruf einsteigen möchten.

Starker Zeitdruck nach Wiedereinstieg

Anbieter der Weiterbildungskurse ist der Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK), Sektion St. Gallen, Thurgau, Appenzell. «Jedes Jahr werden schweizweit über 3000 Pflegefachpersonen zu wenig ausgebildet. Daher ist die Pflegebranche auf diese Wiedereinsteiger und Wiedereinsteigerinnen angewiesen», sagt Edith Wohlfender, Geschäftsleiterin der Ostschweizer SBK-Sektion. Der Mangel herrscht laut Wohlfender aber weniger bei den Fachangestellten Gesundheit (FaGe), die eine dreijährige Berufslehre absolvieren.

Kritisch ist die Lage bei den diplomierten Pflegefachpersonen, die an einer höheren Fachschule oder an einer Fachhochschule ausgebildet wurden. Die Pflegefachpersonen sind verantwortlich für die pflegerischen Massnahmen und legen diese auch selbst fest. Ein grosses Potenzial haben diesbezüglich Frauen im Alter von 40 bis 50 Jahren, die aufgrund ihrer Mutterschaft längere Zeit zu Hause geblieben sind. Laut Wohlfender sind sie die typischen Wiedereinsteigerinnen. Sie sagt:

«Diese Frauen sind motiviert, bringen viel Herzblut für den Beruf mit und sind dank unserer Wiedereinstiegsmodule auf dem neuesten Stand.»

Zurück im Arbeitsleben sehen sich die Wiedereinsteigenden dann aber oftmals mit einer unverhofften Realität konfrontiert: Sie sind starkem Zeitdruck ausgesetzt. Zugleich gibt es in vielen Institutionen oftmals zu wenig personelle Ressourcen. Die Wiedereinsteigenden bekommen beispielsweise häufig keine Bezugsperson zur Seite gestellt.

Diese Erfahrung machte Helen Hürlimann aus Wald in Appenzell Ausserrhoden. Als sie mit 51 Jahren beschloss, nach 26 Jahren Unterbruch wieder in den Beruf einzusteigen und ihre erste Stelle in einem Spital antrat, fühlte sie sich enormem Stress ausgesetzt. «Es gab viel zu wenig Personal und auch solches, das sich im Spital nicht auskannte. So konnten mir meine Fragen nicht beantwortet werden. Durch diese Gegebenheiten war ich fast immer auf mich alleine gestellt und wurde ungenügend eingeführt», sagt die heute 55- Jährige.

Wenn sie Geräte nicht gekannt habe, dann habe sie diese zunächst an sich selbst getestet und erst danach an den Patienten angewendet. Dass sich die Institutionen gerade angesichts des Pflegefachmangels nicht mehr Zeit für die Wiedereinsteigenden nehmen, kann Helen Hürlimann nicht verstehen. Viele Wiedereinsteigerinnen würden daher nach kurzer Zeit wieder aus dem Beruf aussteigen.

Traumjob gefunden

Helen Hürlimann entschied sich für einen anderen Weg: Sie kündigte beim Spital, schnupperte während zwei Monaten in verschiedenen Organisationen und fand schliesslich in der Seniorenresidenz Hof-Speicher in Appenzell Ausserrhoden ihren Traumjob. «Ich bekam in der Anfangszeit eine Bezugsperson und genügend Zeit für die verschiedenen Aufgaben. Auf diese Weise konnte ich mich schnell wieder in meinen alten Beruf einarbeiten», sagt sie.

Allen Wiedereinsteigenden rät sie, sich durchzuboxen und von ernüchternden Erlebnissen nicht entmutigen zu lassen. «Es gibt einen Pflegefachpersonenmangel und somit genügend Stellen. Alles muss man sich also nicht gefallen lassen. Ich möchte mit meinen gemachten Erfahrungen allen Mut machen, wieder in den wunderbaren Pflegeberuf einzusteigen», sagt sie.

Neue Technologien als Herausforderung

Die grössten Veränderungen, die auf die Wiedereinsteigenden zukommen, sind laut Edith Wohlfender die neuen Technologien, der Pflegeprozess und das Dokumentieren. Das und viele weitere Themen werde in den Weiterbildungsmodulen des SBK thematisiert. Kostenlos sind diese für alle Personen ohne Anstellung in einer Pflegeinstitution zum Zeitpunkt der Anmeldung und wenn diese seit mindestens zwei Jahren nicht mehr in der Pflege tätig waren, oder ein Wiedereinstieg weniger als sechs Monate zurückliegt.