Spitex
«Fingerspitzengefühl gefragt»: Über Veränderungen im Angebot der Spitex Appenzellerland und ihr Betreuungsangebot für psychisch Kranke

Der Spitex hängt der Ruf eines Senioren-Pflegediensts an. Der Verein bietet seine Dienste aber auch auf junge Menschen und psychisch Kranke an.

Ramona Koller
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Seit Juni befindet sich der Hauptsitz der Spitex Appenzellerland gut sichtbar an der Alpsteinstrasse.

Seit Juni befindet sich der Hauptsitz der Spitex Appenzellerland gut sichtbar an der Alpsteinstrasse.

Bild: Ramona Koller

Die Spitex kämpft mit dem Vorurteil, nur für die Älteren in der Gesellschaft da zu sein. Es steckt jedoch weit mehr hinter dem Verein. Auch junge Menschen in herausfordernden Situationen, egal ob körperlich oder psychisch, gehören zu den Kundinnen und Kunden der Spitex.

Rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt die Spitex Appenzellerland derzeit an den Standorten Waldstatt und Speicher sowie im neuen Hauptsitz in Herisau. «Auch wir spüren den Fachkräftemangel. Bisher konnten wir aber immer alle Stellen besetzen», sagt Geschäftsleiterin Susanne Schäfer. Seit dem Umzug des Hauptsitzes in die Bären-Überbauung an der Alpsteinstrasse 1a im Juni konnten bereits zwei neue Mitarbeiterinnen rekrutiert werden.

Sprechstunde am neuen Standort

«Wir sind hier im Gegensatz zu unserem alten Standort sichtbar. Das wirkt sich auch auf die Stellenbesetzung aus», so Schäfer. Monika Baumberger, Präsidentin des Vereins Spitex Appenzellerland, pflichtet ihr bei: «Ich höre viel positives Feedback, dass man uns hier besser sehe und wahrnehme.» Kundinnen und Kunden kämen nun auch eher persönlich beim Empfang vorbei, wenn sie ein Anliegen hätten. Ab Januar 2024 findet auch die Spitex-Sprechstunde jeweils am Dienstag von 14 bis 16 Uhr in den neuen Räumlichkeiten statt.

Im Säge-Quartier, wo die Spitex nun zu Hause ist, würden viele die Spitex beanspruchen. «Einige Einsätze erledigen wir nun zu Fuss. Dabei wurde ich schon auf der Strasse angesprochen», sagt Cornelia Kühnis, Leitung Hilfe und Pflege und stellvertretende Geschäftsleiterin der Spitex Appenzellerland. Doch nicht nur der Standort und die Sichtbarkeit, sondern auch das Gesamtpaket der Überbauung mit der Covai AG und dem Restaurant würden geschätzt.

Bereits sind auch Mieterinnen und Mieter in die regulären Wohnungen eingezogen, welche bereits zuvor die Dienste der Spitex in Anspruch genommen hatten. «Für sie ist es natürlich super, wenn sie die Spitex direkt im gleichen Gebäude haben. Das vermittelt vermutlich noch zusätzliche Sicherheit», so Baumberger.

Die Mitarbeiterinnen der Spitex leisten verschiedene Dienste.

Die Mitarbeiterinnen der Spitex leisten verschiedene Dienste.

Bild: Lukas Zolliker

Neues Angebot ab November

Am 1. November startet mit «Auch nachts für Sie da» ein neues Projekt. Bisher waren die Mitarbeitenden der Spitex nachts im Wechsel im Pikettdienst. «Diese Lösung war aber nicht ideal. Zudem verzeichnen wir eine Zunahme an Anfragen für Einsätze ausserhalb der bisherigen regulären Dienstzeiten. Deshalb haben wir nun ein eigenes Team zusammengestellt, das nur nachts arbeitet», erklärt Baumberger. Finanziert wird das auf zwei Jahre ausgelegte Projekt aus einem Fonds.

Das Angebot umfasst geplante und ungeplante Einsätze. «Bisher mussten sich unsere Kundinnen und Kunden, welche Hilfe beim Zubettgehen oder Aufstehen brauchten, nach den Einsatzzeiten unserer Tagesschichten richten. Nun können wir ihnen noch mehr Flexibilität und Eigenständigkeit ermöglichen», erklärt Schäfer.

Beispiele für geplante Einsätze sind auch nächtliche Kontrollbesuche nach einem Spitalaufenthalt, Hilfe beim Umlagern oder andere Pflegemassnahmen. Zu ungeplanten Einsätzen führen können Stürze, Schmerzen, Unterstützung beim Toilettengang oder der Alarm von medizinischen Geräten.

Anrufe werden immer entgegengenommen

Die Triage übernimmt dabei Medicall. «So ist gewährleistet, dass immer jemand den Anruf entgegennimmt», erklärt Kühnis. Ein weiterer Vorteil der nächtlichen Betreuung mit einem eigenen Team sei der Bezug zu den Kundinnen und Kunden. «Wir betreuen die meisten über eine längere Zeit. Da wird man auch zur Bezugsperson», so Kühnis.

Zum neuen Angebot «Auch nachts für Sie da» sagt Spitex-Präsidentin Monika Baumberger: «Wir wollen unser Angebot auch künftig erweitern und ausbauen. Um weiter erfolgreich bestehen zu können, müssen wir uns bewegen und mit der Zeit gehen.»

Laut Cornelia Kühnis hat unter anderem die Nachfrage nach Unterstützung für psychisch Kranke in ihrem Alltag zu Hause in den vergangenen Jahren zugenommen.

Über 40 Personen nutzen psychiatrische Betreuung

Unter der Leitung von Beatrice Weiler beanspruchen derzeit über 40 Personen das Fachteam Psychiatrie der Spitex im Einzugsgebiet Herisau, Hundwil, Schwellbrunn, Speicher, Stein, Trogen, Urnäsch, Wald und Waldstatt. Die Unterstützung kann dabei ganz unterschiedlich aussehen. «Wir ermitteln mit der Kundin oder dem Kunden, was ihr oder ihm am meisten hilft», so Kühnis.

Suchterkrankungen, Depressionen, Psychosen oder Borderline-Syndrom: Dies sind nur einige der Erkrankungen, bei denen die psychiatrische Pflege zum Einsatz kommen kann. Zugewiesen werden die Kundinnen und Kunden durch Hausärzte, Psychiater, professionelle Beistände oder das Psychiatrische Zentrum Appenzell Ausserrhoden. Ziel ist laut Cornelia Kühnis wenn immer möglich, einen stationären Aufenthalt zu verhindern oder den Wiedereintritt in den Alltag nach einem solchen zu erleichtern.

Klar definierte Vereinbarungen seien ein wesentlicher Bestandteil der Vorgehensweise. «Oftmals geht es um die zu verhindernde Verwahrlosung der Kundinnen und Kunden. Dann kann eine Vereinbarung beispielsweise sein, dass bis zum nächsten Treffen die Küche sauber ist oder das Badezimmer feucht aufgenommen wurde», erklärt Kühnis. Bei Bedarf werden Mitarbeitende aus der Hauswirtschaft oder der Pflege hinzugezogen.

Unterstützung und Begleitung

Die spezialisierten Fachkräfte beobachten auch den Zustand der Kundin oder des Kunden und können so frühzeitig reagieren, falls sich dieser verschlechtert. Zudem unterstützen und beraten sie auch in den Bereichen Medikamentenmanagement und Tagesgestaltung. «Wir begleiten die Kundinnen und Kunden beispielsweise bei Tätigkeiten, die ihnen schwerfallen, wie beispielsweise dem Einkaufen, mit dem Ziel, dass sie das irgendwann wieder alleine bewältigen können», so Kühnis.

Derzeit wird zur Ergänzung des sechsköpfigen Teams der psychiatrischen Pflege der Spitex eine neue Mitarbeiterin oder ein neuer Mitarbeiter gesucht. Das Wichtigste sei dabei die Erfahrung im Umgang mit psychisch Kranken. «Das Angebot soll niederschwellig sein. Meist werden keine theoretischen Gespräche benötigt, sondern das Anleiten und Begleiten der Menschen», erklärt Kühnis: «Wir erhalten einen sehr intimen Einblick in das Leben unserer Kundinnen und Kunden. Da ist neben grossem technischem und medizinischem Wissen vor allem auch Fingerspitzengefühl gefragt.»