Einheits-Organisation: Zwei St.Galler Spitex-Vereine zögern noch

Ende Jahr soll die neue Einheits-Spitex der Stadt St.Gallen auf dem Papier vorliegen. Bis dieses Konzept steht, ist noch viel Arbeit nötig. Ein Zusatzaufwand, der die privaten Spitex-Vereine an ihre Grenzen bringt.

Roger Berhalter
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Hilfe und Pflege zu Hause: eine Spitex-Mitarbeiterin auf Hausbesuch bei einer Patientin. (Bild: Benjamin Manser)

Hilfe und Pflege zu Hause: eine Spitex-Mitarbeiterin auf Hausbesuch bei einer Patientin. (Bild: Benjamin Manser)

Statt heute vier Spitex-Organisationen soll es ab 2021 nur noch eine geben. So sieht die Strategie der Stadt St.Gallen aus, die damit die Strukturen der ambulanten Hilfe und Pflege zu Hause zukunftsfähig machen möchte. Die vier privaten Spitex-Vereine West, St.Gallen-Ost sowie Centrum-Notker und Centrum-Stadt sollen in einer Einheitsorganisation aufgehen. Wie diese neue Spitex aussieht, ist noch offen und wird derzeit konkretisiert. Federführend bei dieser Konzeptarbeit ist die Stadt, zur Unterstützung hat sie eine externe Projektbegleitung ins Boot geholt. Die bestehenden Spitex-Vereine, so die Idee, sollen sich einbringen und mitbestimmen, wie die Spitex-Zukunft aussieht.

Erst zwei Vereine machen definitiv mit

Ob die neue Einheits-Spitex tatsächlich eine Verbesserung bringt, war in den Vereinen von Anfang an umstritten. Im Stadtparlament haben sich aber alle Fraktionen grundsätzlich positiv zum Vorgehen des Stadtrats geäussert. Ob sich die Spitex-Vereine schliesslich an der Einheitsorganisation beteiligen werden, wird erst an den Mitgliederversammlungen im Frühling 2020 klar werden. Zunächst geht es jetzt um die Frage, ob und wie sie in der Konzeptphase mitreden wollen. Schon jetzt zeigt sich: Die vier Vereine engagieren sich unterschiedlich stark.

Die Spitex-Vereine Centrum-Stadt und West sind einer Neuorganisation gegenüber am positivsten eingestellt. Sie arbeiten denn auch in der aktuellen Konzeptphase mit und wollen dereinst Teil der neuen Einheits-Spitex sein. Kritischer äussern sich die Spitex St.Gallen-Ost und die Spitex Centrum-Notker.

Keine zusätzliche finanzielle Unterstützung

Der Spitex-Verein Centrum-Notker muss zuerst noch formell darüber befinden, ob er das Konzept der neuen Einheits-Spitex mitentwickeln möchte. Am Kick-off-Treffen und an den jüngsten Sitzungen war Centrum-Notker im Gegensatz zu den anderen drei Vereinen nicht vertreten. Tomas Moravek, Präsident des Spitex-Vereins, argumentiert betriebswirtschaftlich:

«Die Mitarbeit in der Projektgruppe bedeutet für uns einen grossen zeitlichen und personellen Aufwand. Wir müssen uns gut überlegen, ob wir diese Ressourcen bereitstellen wollen.»

Ein nicht-gewinnorientierter Verein wie die Spitex Centrum-Notker stosse angesichts des engen Zeitplans an Grenzen. Moravek kritisiert auch, dass die Stadt von den Spitex-Vereinen einiges verlange, dafür aber keine finanzielle Unterstützung leiste. Moravek spricht von vielen Mannstunden, die zusätzlich zu leisten seien, was das übliche ehrenamtliche Engagement der Vorstandsmitglieder massiv überschreite.

Dazu kommt, dass der Spitex-Verein Centrum-Notker grundsätzliche Zweifel an der Einheitsorganisation hegt. «Wir sind nach wie vor kritisch», sagt Moravek.

«Die Stadt konnte bis jetzt die Vorteile der Einheitsorganisation nicht überzeugend darlegen. Es ist keineswegs klar, dass dadurch die Kosten sinken oder die Qualität für den Patienten besser wird.»

Im Februar werde der Vereinsvorstand entscheiden, ob sich die Spitex Centrum-Notker in der Konzeptphase beteiligen werde.

Die Spitex St.Gallen-Ost tut dies bis jetzt. Der Verein arbeitet in der Projektgruppe mit, doch auch er hat noch nicht formell entschieden, ob er diesen Aufwand weiterhin auf sich nehmen möchte. Dieser Entscheid falle bis Ende Januar, sagt Andrea Hornstein, Geschäftsführerin der Spitex St.Gallen-Ost.

Auch sie spricht von einem hohen Anspruch, den die Stadt an die Vereine stelle, ohne dass dieser Zusatzaufwand finanziell abgegolten sei. Hornstein betont, dass die Spitex St.Gallen-Ost bis jetzt engagiert an der Reorganisation mitgearbeitet habe. Wichtige Anliegen habe man einbringen können und Zusicherungen erhalten, etwa dass es auch in Zukunft einen Spitex-Standort Ost gebe und dass die Mitarbeiterinnen an der Basis ihre Stelle behalten können. «Eine grössere Organisation ist nicht zwangsläufig qualitativ besser», sagt Hornstein. Entscheidend sei, dass auch die neue Spitex qualitativ gut, kostengünstig und quartiernah sei.

Entscheidend ist das Engagement

«Wer dabei ist, kann mitgestalten und mitentscheiden», sagt Sonja Lüthi, Leiterin der Direktion Soziales und Sicherheit und damit oberste Spitex-Verantwortliche der Stadt. Sie wünsche sich natürlich, dass die vier bestehenden Spitex-Vereine im weiteren Prozess an Bord seien. Doch:

«Ein gutes Ergebnis ist nicht davon abhängig, ob alle vier Vereine dabei sind.»

Wichtiger sei der Gestaltungswille und das Engagement der Beteiligten, nicht zuletzt angesichts des straffen Zeitplans.

Die Vereine für ihre Mitarbeit an der Reorganisation finanziell zu entschädigen, sei kein Thema. Einerseits habe die Stadt mit den Vereinen einen Leistungsauftrag vereinbart, finanziere sie also schon jetzt mit. Anderseits sei es Aufgabe jedes Vereinsvorstands – wie auch jeder Unternehmensleitung – sich Gedanken über die Zukunft zu machen. «Dazu gehört auch solche strategische Arbeit», sagt Lüthi.
Der nächste Meilenstein auf dem Weg zur Spitex-Einheitsorganisation folgt Ende Jahr. Bis dann soll die neue Organisation auf dem Papier vorliegen. Dieses Konzept soll den Vereinen als Grundlage für eine existenzielle Entscheidung dienen: Lösen sie ihren Verein auf und werden sie Teil der Einheits-Spitex? Oder bleiben sie als unabhängiger Verein bestehen, ohne Leistungsvereinbarung mit der Stadt?