Eine halbe Million für die Spitex-Fusion

480000 Franken dürfte es kosten, in St. Gallen eine einheitliche Spitex-Organisation einzuführen. Das Stadtparlament wird über diesen Kredit entscheiden. Eine Projektleitung ist schon gefunden, ebenso eine mögliche Alternative zum heutigen Modell.

Roger Berhalter
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Hilfe und Pflege zu Hause: Eine Pflegefachfrau der Spitex auf Hausbesuch bei einer Klientin. (Bild: Benjamin Manser)

Hilfe und Pflege zu Hause: Eine Pflegefachfrau der Spitex auf Hausbesuch bei einer Klientin. (Bild: Benjamin Manser)

Aus vier Spitex-Organisationen mach eine: Dieses Ziel will der Stadtrat in den nächsten gut zwei Jahren erreichen. Bis 2021 soll in St. Gallen nur noch eine einzige Spitex-Organisation tätig sein, und nicht mehr vier verschiedene Vereine wie heute. Der Stadtrat strebt eine neue Einheitsorganisation unter Federführung der Stadt an. Die bestehenden vier Vereine – Spitex St. Gallen-Ost, Spitex West, Spitex Centrum Notker und Centrum-Stadt-Spitex – werden aufgelöst, können sich aber in die neue Organisation einbringen.

Die Spitex-Vereine haben sich bis jetzt mehrheitlich skeptisch zu einer Einheitsorganisation geäussert. Politisch ist das Vorhaben hingegen breit abgestützt, wie zahlreiche Voten im Stadtparlament gezeigt haben. Immer wieder wurde dabei betont, dass es unbedingt eine professionelle Unterstützung von aussen brauche, um zu einer zufriedenstellenden Spitex-Organisation zu kommen.

Unter Leitung einer Arbeitsgemeinschaft

Eine solche externe Projektleitung ist nun gefunden: Die Firma «H Focus» aus Baar hat das Mandat übernommen und wird den Fusionsprozess steuern. Das Unternehmen ist auf Beratungen im Gesundheitswesen spezialisiert und hat Erfahrung mit ähnlichen Projekten gesammelt. Das St. Galler Spitex-Projekt leitet sie in einem interdisziplinären Team zusammen mit anderen Unternehmen: Der Zürcher FDP-Kantonsrat und Gesundheitspolitiker Jörg Kündig ist mit seiner Ubitus AG an Bord, ebenso die Frischer Wind AG mit Sitz in St. Gallen, die sich mit Grossgruppen-Prozessen auskennt. Die Streichenberg-Rechtsanwälte aus Zürich schliesslich kümmern sich um den arbeitsrechtlichen Teil. Denn eine neue Spitex-Organisation braucht auch neue Arbeitsverträge sowie Lohnrichtlinien, die für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleich sind.

Eine Dienststelle wird aufgestockt

Um die Idee einer Einheitsspitex in die Tat umzusetzen, sind 480000 Franken nötig. Einen Kredit in dieser Höhe beantragt der Stadtrat beim Stadtparlament. Der grösste Teil (315000 Franken) entfällt auf die externe Projektleitung. Zudem wird die städtische Dienststelle Gesellschaftsfragen vorübergehend leicht aufgestockt; für 35000 Franken soll eine Projektassistenz im Teilpensum beschäftigt werden. Die restlichen Kosten verteilen sich auf Ausgaben für Workshops und ähnliche Veranstaltungen, auf eine neue Informations- und Kommunikationstechnik sowie auf eine Reserve von 40000 Franken.

Ein erster grober Zeitplan für die Spitex-Fusion liegt ebenfalls vor und ist in der Parlamentsvorlage dargestellt. Bis Ende Jahr dauert noch die Initialisierungsphase, danach folgt die Vor-Analyse, bevor im kommenden Frühling die Konzeptphase beginnt. Dabei soll insbesondere das ­Buutzorg-Modell geprüft werden, das eine Alternative zur heutigen Spitex-Organisationsform darstellt (siehe Zweittext). Spätestens bis Ende 2019 müssen die bestehenden Spitex-Vereine formell entscheiden, ob und wie sie der neuen Organisation beitreten wollen. Am 1. Januar 2021 schliesslich soll die Einheitsspitex den Betrieb aufnehmen.

Ein holländisches Modell für St. Gallen

In der Spitex-Branche ist in den vergangenen Jahren eine neue Organisationsform aufgekommen: das Buurtzorg-Modell. Der holländische Begriff heisst übersetzt «Nachbarschaftshilfe» und bezeichnet eine Spitex-Organisation, die 2006 gegründet wurde und mittlerweile 10000 Pflegende in 25 Ländern beschäftigt. Buurtzorg steht vor allem für eine neue Art der Organisation. Die Pflege-Teams sind klein, mit rund einem Dutzend Mitarbeitern. Sie arbeiten eigenständig, selbst organisiert, ohne Hierarchie und ohne übergeordnetes Management, sie können aber auf professionelle zentrale Dienste zurückgreifen.

«Das Modell geniesst unter Pflegenden grosse Sympathie, da es ihnen ermöglicht, mehr mit den Klienten zu arbeiten und weniger am Schreibtisch», sagt Katja Meierhans von der Dienststelle Gesellschaftsfragen. Das Buurtzorg-Modell wird inzwischen weltweit angewendet, auch in der Schweiz gibt es erste Spitex-Organisationen, die damit Erfahrungen sammeln, beispielsweise die Spitex Zürich-Limmat.

Bei der aktuellen Reorganisation der Spitex-Versorgung in St. Gallen wird das Modell als Variante ebenfalls ins Auge gefasst. «Es besteht jetzt die historische Chance, diese Organisationsform zu prüfen», sagt Meierhans. Die Umstellung von einer traditionellen Spitex-Organisation zum Buurtzorg-Modell wäre gross, da sich die erforderlichen Strukturen deutlich unterscheiden. Entsprechend früh im Prozess müsste ein solcher Grundsatzentscheid fallen, sagt Katja Meierhans: «Das Buurtzorg-Modell ist attraktiv, es würde für alle Beteiligten aber auch Neuland bedeuten.»