Personalmangel im Gesundheitswesen: Der Kanton Zürich will die Pflegeinitiative ohne generelle Lohnerhöhung umsetzen

Der Regierungsrat startet die Ausbildungsoffensive für Pflegeberufe. Eine höhere Einstufung des Personals im Lohnsystem blieb im Kantonsrat aber chancenlos.

Stefan Hotz 3 min
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Die Personalsituation in den Spitälern bleibt angespannt.

Die Personalsituation in den Spitälern bleibt angespannt.

Annick Ramp / NZZ

In den letzten Monaten häuften sich Medienberichte über Engpässe und teilweise geschlossene Abteilungen in Spitälern. Grund dafür ist insbesondere der Personalmangel. Diesem soll unter anderem auch mit der Pflegeinitiative begegnet werden, welcher das Schweizervolk vor gut einem Jahr mit über 60 Prozent Ja zugestimmt hat. Das Ziel ihrer Urheber ist es, in der Ausbildung und mit guten Arbeitsbedingungen die Voraussetzungen zu schaffen, damit das Gesundheitswesen wieder über genügend Personal verfügt.

Am Montag hat der Zürcher Regierungsrat über die Umsetzung des eidgenössischen Begehrens im Kanton Zürich informiert. Ein wichtiges Standbein besteht in einer Ausbildungsoffensive, wobei sich der Bund zur Hälfte an den Massnahmen beteiligt. Insbesondere werden Spitäler, Pflegeheime und Spitex-Organisationen, die Personal ausbilden, finanziell unterstützt.

Höhere Fachschulen erhalten Zuschüsse, wenn sie die Zahl der Ausbildungsplätze erhöhen. Ihre Studierenden, die einen Lehrgang im Pflegebereich absolvieren, werden zur Sicherung ihres Lebensunterhalts bei Bedarf unterstützt. Für die Umsetzung im Kanton Zürich haben die Gesundheits- und die Bildungsdirektion im August 2021 ein gemeinsames Projekt gestartet.

Darüber hinaus befasst sich eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus der Praxis mit weiteren Ideen und Projekten. Nachdem das Bundesparlament erst vor wenigen Tagen über ein Gesetz Mittel beschlossen hat, kann diese Projekte Anfang des nächsten Jahres starten.

Die Regierung führt in der Mitteilung weitere Massnahmen auf, die sie in der Vergangenheit ergriffen habe, um die Anstellungsbedingungen im Gesundheitswesen zu verbessern. Dazu gehören die Erhöhung der Anzahl Aus- und Weiterbildungsplätze in der Pflege, die Verbesserung der Anstellungsbedingungen in den kantonalen Spitälern und Sofortmassnahmen zur Unterstützung der Intensiv- und Notfallpflege mit 3,8 Millionen Franken.

Zürcher Löhne konkurrenzfähig

Ob orchestriert oder nicht: Just am Montag befasste sich auch der Kantonsrat mit dem gleichen Thema. Zur Debatte stand ein Postulat, mit dem eine Höhereinstufung der Pflegeberufe im kantonalen Lohnsystem angeregt wurde.

Eine Antwort auf den Vorstoss hat die Regierung schon im Januar 2022 gegeben. Für ihren Bericht hatte sie Stellungnahmen der kantonalen Spitäler eingeholt. Diese beurteilen die Löhne des Pflegepersonals als aktuell und sachgerecht. Sie widerspiegelten die Anforderungen an die Funktionen. Im schweizweiten Vergleich sei der Kanton Zürich auch gegenüber privaten Arbeitgebern im Bereich Pflege konkurrenzfähig. Die Gehälter lägen oberhalb des Marktwerts für die ganze Schweiz.

Mit dieser Auskunft waren die Urheber des Postulates nicht einverstanden. Die von der Regierung befragten Spitäler hätten eine betriebswirtschaftliche Sicht, sagte am Montag Erstunterzeichnerin Jeannette Büsser (Grüne, Zürich). Die Stadt Zürich habe dagegen das Lohnsystem überprüft und im Sommer 70 Prozent der Beschäftigten in der Pflege eine Lohnerhöhung gewährt.

Für die bürgerlichen Fraktionen ist eine Anpassung der Löhne allein nicht zielführend. Entscheidend sei das Gesamtpaket, sagte Lorenz Habicher (SVP, Zürich). Der Kanton Zürich habe ein hervorragendes Gesundheitswesen, das die Gegenseite schlechtrede. Mehrere Sprecher verwiesen darauf, dass die Spitäler den Teuerungsausgleich von 3,5 Prozent, den der Regierungsrat dem kantonalen Personal gewähre, für ihre Angestellten nachvollzogen hätten.

Dabei handle es sich um keine Lohnerhöhung, konterte die Gegenseite. Dass Zürich überdurchschnittliche Löhne zahle, sei nicht erstaunlich, sagte Andreas Daurù (SP, Winterthur). Hier seien auch die Lebenshaltungskosten am höchsten. Die Bürgerlichen glaubten plötzlich nicht mehr an die Macht des Geldes, bemerkte listig Thomas Marthaler (SP, Zürich). Bezüglich der Banken heisse es jeweils, hohe Löhne und Boni seien nötig, um gutes Personal zu finden.

Gegen Alleingang des Kantons

Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit hatte beantragt, das Postulat als erledigt abzuschreiben. SP, Grüne und AL formulierten eine abweichende Meinung, in der sie ihre Haltung bekräftigten: Die Gesundheitsversorgung im Kanton Zürich sei sonst gefährdet. GLP und EVP schlossen sich der ablehnenden Haltung der Bürgerlichen an, die Mitte unterstützte jedoch die abweichende Meinung.

Es sei nicht wahr, dass für die Pflegeberufe nichts getan werde, sagte Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP). Er und nicht die Gesundheitsdirektorin sei als oberster Personalverantwortlicher für das Lohnsystem zuständig. Dort könne man nicht isoliert an den Pflegeberufen schrauben, sagte Stocker. Man müsse im Auge behalten, was es für die Regionalspitäler und Kliniken in anderen Kantonen bedeute, wenn der Kanton Zürich die Löhne im Gesundheitswesen erhöhe.

Unbestritten blieb, dass es Massnahmen braucht, um die Pflegeberufe attraktiver zu machen. Die Mehrheit folgte der Meinung, dass Lohnmassnahmen allein wenig bringen. Der Rat lehnte das Postulat ohne abweichende Meinung mit 109 gegen 63 Stimmen als erledigt ab.