Kommentar

Die Politik soll die Pflegenden besserstellen – und zwar rasch

Die alternde Gesellschaft erfordert eine Ausbildungsoffensive in der Pflege. Die Promotorinnen der Pflege-Initiative wollen sich zudem von den Ärzten emanzipieren – doch das ist unnötig und verhindert eine schnelle Lösung.

Simon Hehli
Drucken
Pflegenden im Altersheim würde die direkte Abrechnung mit der Krankenkasse nichts nützen.

Pflegenden im Altersheim würde die direkte Abrechnung mit der Krankenkasse nichts nützen.

Karin Hofer

Das Schweizer Gesundheitswesen steht vor schwierigen Zeiten, das zeigt ein Blick auf die Demografie: Die Zahl der Hochaltrigen wird in den nächsten Jahren deutlich ansteigen – und damit wird es auch mehr Pflegende brauchen, die sich um die Seniorinnen und Senioren kümmern. Noch herrscht in diesem Bereich kein Mangel, noch hat die Schweiz im internationalen Vergleich eine relativ gute Versorgungslage, auch dank vielen Fachkräften aus dem Ausland. Aber die komfortable Situation dürfte sich bald verschlechtern.

Insofern haben die Promotorinnen der Pflege-Initiative, welche die Pflegenden besserstellen soll, das Ohr am Puls der Zeit. Sie können auf die Dringlichkeit ihres Anliegens hinweisen und auf die Sympathien setzen, welche die Bevölkerung ihrem Berufsstand entgegenbringt. Das Volksbegehren enthält allerdings problematische Elemente. Im Initiativtext ist nur die Rede von Pflegefachleuten, nicht jedoch von anderen wichtigen Berufsgattungen wie den Fachangestellten Gesundheit (FaGe). Die Privilegierung eines einzigen Berufszweiges hat in der Verfassung nichts verloren.

Hochrisikostrategie des Bundesrates

Der Bundesrat will die populäre Initiative ohne Alternative zur Abstimmung bringen. Das ist – bei aller berechtigter Skepsis – eine Hochrisikostrategie. Das Parlament tut gut daran, dieses Szenario mit einem vernünftigen Gegenvorschlag zu verhindern. Weitgehend unbestritten ist, dass es eine Ausbildungsoffensive braucht. Diese soll sicherstellen, dass es in den Spitälern, den Pflegeheimen und bei der Spitex zu keinem Personalengpass kommt.

Möglichst gut qualifizierte Pflegende sind auch deshalb nötig, weil die Zunahme von Patienten mit komplexen Krankheitsbildern den Job noch anspruchsvoller macht. Das wird sich zwar in höheren Durchschnittslöhnen niederschlagen, aber eine gesteigerte Qualität ist im Interesse der Patienten. Und sie kann auch zu Kosteneinsparungen führen – etwa, wenn entsprechend ausgebildete Pflegefachleute in Spitälern oder Arztpraxen Aufgaben übernehmen, die heute Ärzte erfüllen.

Die Debatte im Nationalrat hat gezeigt: Der Knackpunkt beim Gegenvorschlag ist die Frage, ob Pflegefachleute künftig auch ohne Anordnung durch einen Mediziner Geld aus der Grundversicherung bekommen. Die neue Mitte-links-Mehrheit hat sich ohne Wenn und Aber dafür ausgesprochen. Das ist der falsche Weg. Zwar würde von der Neuerung faktisch nur das Spitexpersonal profitieren, weshalb Warnrufe hinsichtlich einer Kostenexplosion wohl übertrieben sind. Dennoch wäre es sinnvoll, eine Sicherung in das System einzubauen – der Ständerat wird die Gelegenheit dazu haben.

Keine Abrechnung ohne Vertrag

Einen brauchbaren Vorschlag hat der Krankenkassenverband Curafutura eingebracht: Spitexorganisationen oder freischaffende Pflegefachleute, die über die Krankenkassen abrechnen wollten, müssten mit diesen einen Vertrag abschliessen. Das ist kein Präjudiz dafür, dass die Versicherer künftig auch unliebsamen Ärzten oder Kliniken die Zusammenarbeit verweigern dürften, wie das die Linken behaupten. Und es muss auch kein Präjudiz für Physio- oder Ergotherapeuten sein, die laut Gesundheitsminister Berset auf ähnliche Rechte pochen könnten – mit potenziell gravierenden Folgen für die Prämienzahler.

SP-Leute sprechen sich gegen einen Rückzug der Initiative aus, sollte sich das Curafutura-Modell durchsetzen. Doch die Initianten müssten sich in diesem Fall gut überlegen, wie wichtig ihnen diese Detailfrage ist. Denn der Gegenvorschlag auf Gesetzesstufe könnte viel schneller Wirkung entfalten als die Initiative – und damit die ersehnte Stärkung der Pflege bringen.