Gesundheit
Aus Notsituation heraus fusioniert: So geht es der neuen Zurzibieter Spitex nach 100 Tagen

Innert acht Monaten haben zwei Spitex-Organisationen im Zurzibiet fusioniert. Im Gespräch verraten der neue Präsident und der Geschäftsleiter, welches die grössten Herausforderungen waren, weshalb fast alle Telefonapparate kurzzeitig ausgestiegen sind und ob es bald zur nächsten Fusion kommen könnte.

Stefanie Garcia Lainez
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Mitten in Leuggern, in unmittelbarer Nähe zum Spital, schlägt das Herz der Spitex RegioKirchspiel. Der Eingang zur Zentrale liegt leicht zurückversetzt, etwas unscheinbar, an der Schulstrasse. Von hier aus machen sich die Mitarbeitenden täglich zu den Klientinnen und Klienten auf - seit diesem Jahr in neun statt vorher sechs Gemeinden.

Das Schild weist den Weg: Die Zentrale der neu fusionierten Spitex RegioKirchspiel befindet sich in Leuggern in unmittelbarer Nähe des Spitals.

Das Schild weist den Weg: Die Zentrale der neu fusionierten Spitex RegioKirchspiel befindet sich in Leuggern in unmittelbarer Nähe des Spitals.

Bild: Stefanie Garcia Lainez

Die AZ trifft Vorstandspräsident Thomas Bodmer und Geschäftsleiter Adrian Hofstetter im Büro im ersten Stock. Gemeinsam blicken sie auf ein intensives Jahr zurück - und auf eine Turbofusion, die 15 Arbeitsplätze rettete.

Doch von vorne. Wie alle Gesundheitsorganisationen steht auch die Spitex vor der Herausforderung stetig wachsender Aufgaben: den steigenden Anforderungen durch die Zunahme der ambulanten Behandlungen, der steigenden Nachfrage nach Spezialisierung und dem sich zuspitzenden Fachkräftemangel.

Geschäftsleiter Adrian Hofstetter (links) und Vorstandspräsident Thomas Bodmer besprechen sich im Büro im ersten Stock.

Geschäftsleiter Adrian Hofstetter (links) und Vorstandspräsident Thomas Bodmer besprechen sich im Büro im ersten Stock.

Bild: Stefanie Garcia Lainez

Die Spitex Döttingen-Klingnau-Koblenz (DKK) sah sich ihrerseits zusätzlichen Herausforderungen gegenüber: grosse Personalengpässe und die Kündigung der Betriebsleitung. Die Spitex RegioKirchspiel sprang kurzerhand ein, deren Geschäftsleiter Adrian Hofstetter war somit plötzlich für zwei Organisationen verantwortlich. Das ermöglichte eine Stabilisierung und die Gewährleistung des Leistungsauftrages.

Doch schnell wurde klar: Längerfristig kann das Überleben der Spitex DKK nur sichergestellt werden, wenn die beiden Organisationen sich zusammenschliessen. Weil die kantonale Bewilligung für Hofstetters Doppelfunktion nur befristet war, musste die Fusion innert acht Monaten über die Bühne. Ende Jahr segneten die beiden ausserordentlichen Mitgliederversammlungen den Zusammenschluss ab. Seit diesem Jahr laufen die beiden Spitex-Organisationen nun unter dem Namen Spitex RegioKirchspiel.

Weshalb die Fusion trotz Zeitdruck gelang

«Der enge Zeitplan sorgte für Zweifel und kritische Nachfragen», sagt Thomas Bodmer rückblickend. «Weil aber alle Beteiligten an Bord waren und am selben Strick zogen, gelang die Fusion in dieser kurzen Zeit.» Die Unterstützung der Gemeinden als Auftraggeber sei gross gewesen. Einen grossen Beitrag habe auch der externe Projektleiter Flavio De Nando geleistet.

Zudem habe die Zusammenarbeit zwischen Team, Leitung und Vorstand besonders gut funktioniert, so der Präsident. «Wir haben immer für Transparenz gesorgt und viel Zeit in die Kommunikation mit den Mitarbeitenden investiert. Dass alle dahinterstanden, war unser Erfolgsrezept.» Das widerspiegelte sich auch im erfolgreichen Audit im Dezember: Mitten im Fusionsprozess überprüfte der Kanton die Spitex RegioKirchspiel – und bescheinigte ihr eine gute Qualität.

Seit Anfang Jahr ist die Organisation nun für ein Einzugsgebiet mit rund 20’000 Personen zuständig, konnte dank der Fusion die Psychiatriespitex der ehemaligen DKK unter ein Dach bringen und die öffentliche Spitex in der Region stabilisieren. «Durch die neue Grösse bleiben wir eine attraktive Arbeitgeberin, die von Assistent Gesundheit und Soziales (AGS) über Fachfrau Gesundheit (FaGe) bis zu Pflegefachmann HF Psychiatrie Berufe auf allen Bildungsstufen anbieten kann», ergänzt Thomas Bodmer.

Nur noch zwei von sieben Telefonapparaten funktionierten

Dass die intensive Zeit auch nach dem erfolgreichen Zusammenschluss noch nicht vorbei ist, zeigt die Wand im Büro: Dort hängen zahlreiche weisse, grüne, gelbe und blaue Notizzettel. «Wichtig, nicht vergessen», «das haben wir erreicht», «Ideen» und «Vorschläge» ist vermerkt. «Diese Wand ist voller Aufgaben – und füllt sich immer wieder aufs Neue», sagt Adrian Hofstetter. Kaum seien die einen erledigt, kämen die nächsten hinzu.

Die Spitex RegioKirchspiel ist neu zuständig für neun Gemeinden.

Die Spitex RegioKirchspiel ist neu zuständig für neun Gemeinden.

Bild: Michaela Rohrer

Denn während des Fusionsprozesses konzentrierten sich die beiden Vereine nur auf die drängendsten Fragen. Seit Anfang Jahr kümmert sich die neue Spitex nun um die Details und Feinheiten. Und das sind nicht wenige.

So muss etwa die Wahl der Arbeitskleider geklärt, die Finanzen zusammengelegt oder die Personal- und Spesenreglemente, das Fallmanagement sowie die Klienten- und Mitarbeiterprozesse überarbeitet werden. «Das müssen wir alles überprüfen, anpassen und aufeinander abstimmen. Und mit der neuen Grösse braucht es jetzt auch andere Strukturen», sagt Thomas Bodmer.

«Und eine neue IT-Lösung», ergänzt Adrian Hofstetter und erklärt: «Die Telefonie kann technisch noch nicht mithalten: Wir hatten so viele Anrufe, dass zu einem Zeitpunkt nur noch zwei von sieben Apparaten funktionierten.» Dass die Vorbereitungszeit so kurz war, spüre man nun im Alltag.

Zahl der Mitarbeitenden steigt stetig

Dennoch: «Obwohl die Arbeitslast konstant hoch ist», sagt der Geschäftsleiter, «spüren wir auf emotionaler Ebene eine Entlastung – wir konnten ein Team stabilisieren, das in Schieflage geraten war, und allen Mitarbeitenden eine neue Zukunft und Perspektive bieten».

Deren Zahl wächst stetig: Anfang Jahr kümmerten sich 45 Mitarbeitende um die Klientinnen und Klienten – unterdessen sind es bereits mehr als 50 vor allem Teilzeit Angestellte. «Erst vor kurzem haben wir drei neue Mitarbeiterinnen eingestellt. Das spricht für unsere Spitex und die Region, insbesondere in einer Zeit mit akutem Personalmangel», sagt Adrian Hofstetter.

Aktuell befindet sich die Psychiatriepflege sowie die Bildung in Döttingen, die restlichen Teams haben ihren Arbeitsort in Leuggern. Dass möglichst alle von hier aus zu den Klientinnen und Klienten starten, hat einen Grund: Damit will die Leitung das Teamgefühl fördern. «Dass sich die Mitarbeitenden mit der Organisation identifizieren können, ist entscheidend – und wird auch so nach aussen getragen», sagt Thomas Bodmer.

In Zukunft soll die neue Spitex einen anderen Standort erhalten. «Wir brauchen rund 400 bis 500 Quadratmeter Platz für ein neues Zentrum», sagt der Präsident. Dieses müsse zentral liegen, sodass es für die Mitarbeitenden gut erreichbar ist und die Fahrtdauer zu den Klienten aus Kostengründen so kurz wie möglich ist. Den idealen Ort zu finden, sei aber nicht einfach. Mehrere Varianten würden zurzeit näher betrachtet.

Und wie steht es dereinst um eine mögliche Fusion mit der zweiten Organisation, der Spitex Nord Aargau Ost (NOA)? Die Organisation ist zuständig für Ehrendingen, Endingen, Fisibach, Freienwil, Lengnau, Mellikon, Schneisingen, Siglistorf, Tegerfelden und Zurzach.

«Wir pflegen eine wertvolle Zusammenarbeit mit NOA, nutzen Synergien und tauschen uns auf strategischer und operationeller Ebene regelmässig aus», sagt Adrian Hofstetter dazu. Und er ergänzt: «Wir haben nun eine ideale Grösse. Wir können unsere gute Qualität aufrechterhalten, während gleichzeitig die Nähe zwischen der Basis, der Leitung und dem Vorstand gepflegt werden kann, was wiederum enorm wichtig ist für das Gefühl der Wertschätzung.»