Bildungsoffensive in der Pflege

Als erste Pflegefachfrau im Bachelor absolviert Sandra Steinmann ein Praktikum im Aargau. Geht es nach der Spitex, ist sie nicht die Letzte.
Simon Michel ist bei der Spitex Wettingen-Neuenhof für eine optimale Ausbildung zuständig. (Bild: sim)

Bei der Spitex Wettingen-Neuenhof weiss man um den Wert gut ausgebildeter Fachkräfte. Seit jeher unterhält der Verein in seinem Betrieb deshalb eine eigene Bildungsabteilung, die für die optimale Förderung aller Angestellter in Ausbildung sorgen soll. Verantwortlich dafür ist Bereichsleiter Bildung Simon Michel, der mit seinem Team aktuell sechs Lernende im Bereich Fachangestellte Gesundheit und drei Studierende der höheren Fachschule betreut. Seit einiger Zeit absolviert ausserdem Sandra Steinmann, angehende Pflegefachfrau im Bachelor, ein Praktikum bei der Spitex Wettingen-Neuenhof – Premiere für die Spitex im Kanton Aargau. Laut Simon Michel wird es für die Spitex Wettingen-Neuenhof konkret und für den Kanton Aargau insgesamt in Zukunft zunehmend wichtig werden, vor Ort qualifizierte Pflegefachkräfte auszubilden. «Was mir auffiel ist, dass der Kanton Aargau tatsächlich keine Fachhochschulausbildung im Bereich Pflege anbietet», erklärt Simon Michel. «Das hat mich schon erstaunt, der Aargau ist immerhin kein kleiner Kanton.»

Pflegeinitiative
Ein Blick auf die Zahlen des Bundesamts für Statistik zur demografischen Entwicklung der Schweiz zeigt, dass die Anzahl betagter und hochbetagter Menschen hierzulande zunehmen wird. Und damit auch die Nachfrage nach stationärer und ambulanter Pflege. Gegenwärtig befindet sich der Kanton in der ersten Phase der Umsetzung der 2021 angenommenen Pflegeinitiative. Für Simon Michel eine zukunftsweisende Zeit, in der die Weichen für den gesellschaftlichen und insbesondere politischen Stellenwert und die Qualität in der Pflege von morgen gestellt werden: «Es geht schlussendlich um ethische Fragen. Darum, welche Werte uns als Gesellschaft wichtig sind, aber auch, was wir zu zahlen bereit sind, um diese Werte hoch zu halten. Gerade in diesem Bereich ist das am Ende auch eine finanzielle Frage.»

Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte, wonach immer mehr Gesundheitseinrichtungen sich mit zunehmenden Renditeerwartungen konfrontiert sehen, hat die Pflegebranche in der Schweiz stark unter Druck gesetzt, immer noch profitabler zu arbeiten und zu wirtschaften. Obwohl sich nach wie vor viele junge Leute für Pflegeberufe interessieren, hat die Anzahl der Lehrabbrüche und jener, die dem Berufsfeld nach relativ kurzer Zeit den Rücken kehren, merklich gestiegen. «Die zunehmende Ökonomisierung im Gesundheitswesen führt bei den Pflegenden zu moralischem Stress, dabei geraten persönliche Werte und Realität in Konflikt», meint Simon Michel, der darin einen der Gründe für die Zunahme der Fluktuation in der Pflege sieht.

Gegenseitiger Nutzen
Um dem im eigenen Haus möglichst entgegenzuwirken, widmet die Spitex Wettingen-Neuenhof allen Angestellten in Ausbildung besonders viel Zeit und Aufmerksamkeit. Dazu gehören unter anderem regelmässige Lerntage mit eins zu eins Betreuung, monatliche Lernworkshops zur Vertiefung einzelner Lerninhalte sowie häufige Standortgespräche mit den Auszubildenden und Studierenden. Schlussendlich zahlt sich diese Investition in die Ausbildung von Nachwuchskräften auch für die Betriebe aus, ist Simon Michel überzeugt. «Wir beobachten zunehmend, dass die Klienten weniger lange im Spital bleiben», so der Ausbildungsleiter. «Deshalb haben wir es bei der Spitex auch zunehmend mit komplexen Fällen zu tun. Um diesen anspruchsvollen Therapien gerecht zu werden, brauchen wir gut ausgebildetes Personal.» Die Spitex Wettingen-Neuenhof plant zumindest in dieser Hinsicht weiterhin neue Wege zu gehen, um so zur langfristigen Sicherung der Qualität in der Pflege beizutragen.