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Stadt St.Gallen
06.03.2023
07.03.2023 09:00 Uhr

Spitex wehrt sich gegen Anschuldigungen

Anna Ravizza, Mitglied des Verwaltungsrats, lässt die Vorwürfe nicht auf sich sitzen.
Anna Ravizza, Mitglied des Verwaltungsrats, lässt die Vorwürfe nicht auf sich sitzen. Bild: Miryam Koc
Unzufriedene Mitarbeiter, ängstliche Klienten und eine erneute Kündigungswelle: Die Spitex St.Gallen AG nimmt Stellung zu den Vorwürfen, die im «St.Galler Tagblatt» publiziert worden.

Erst kündigte der Chef, dann über 80 Mitarbeiter: Das Jahr 2021 war alles andere als ein Spaziergang für die Spitex St.Gallen AG, die sich 2020 aus vier Spitex-Vereinen zu «Einheitsspitex» fusionierte. Stadträtin Sonja Lüthi kommentierte die Ereignisse damals als «krassen Fehlstart». Doch auch die folgenden Monate waren geprägt von unzufriedenen Mitarbeitern, einem Millionenverlust und interne Ungereimtheiten, stgallen24 berichtete.

Schliesslich stimmte das St.Galler Stadtparlament im Juli 2022 einer Finanzspritze von drei Millionen Franken zu – mit der Hoffnung, die erwartenden Verluste bis zum Erreichen der Gewinnschwelle aufzufangen.

Auch die personelle Situation sollte sich verbessern, doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein: Wie das «St.Galler Tagblatt» am Freitag publik machte, sollen bei der Spitex-West nur noch drei Mitarbeiter übrig sein. Etliche hätten gekündigt, wollen kündigen oder seien im krank geschrieben.

Spitex soll Anwalt eingeschaltet haben

In einem offenen Brief hätte das Pflegepersonal um ein Gespräch gebeten, da sie «zu viele Vorgänge als stossend erlebten» und die Pflegequalität unter den Umständen und der hohen Fluktuation leiden würde. So soll es gemäss dem Bericht zu gefährlichen Situation gekommen sein, wo Medikamente vergessen oder gar falsch verabreicht worden sein. Auch Angehörige und eine ehemalige Spitex-Klientin melden sich anonym beim «Tagblatt». Sie sagen, es sei stossend, dass ständig neue Spitex-Mitarbeiter kämen, die sich nicht auskennen.

Als Antwort soll die Spitex-Leitung mit zwei Schreiben und einem Anwalt reagiert haben. Der Anwalt schrieb, einige der Themen seien nicht mit dem Personal zu diskutieren. Wenn sich ein Gespräch mit Mitarbeitern aufdränge, sei man schon bereit dazu. Allerdings nur mit maximal drei Mitarbeitern aufs Mal. Beim Gespräch mit dem Anwalt sei man auf taube Ohren gestossen und es soll sogar zu Schikanen gekommen sein, so die Mitarbeiter.

Vorwürfe werden zurückgewiesen

Am Montag meldet sich nun die Spitex St.Gallen AG zu Wort und nimmt Stellung zu den Vorwürfen.

«Im Brief der Mitarbeitenden als auch in der Medienberichterstattung wird der Spitex St.Gallen AG vorgeworfen, dass die extremen Personalwechsel und die temporären Mitarbeitenden für die Klientinnen und Klienten anspruchsvoll seien. Diese müssten sich immer wieder auf neue Personen einlassen. Es ist so, dass wechselnde Mitarbeitende und der Einsatz von temporären Mitarbeitenden mehr Flexibilität von den Klientinnen und Klienten fordert. Der Fachkräftemangel in Pflegeberufen ist eine branchenweite Herausforderung, die auch die Spitex St.Gallen AG trifft. Politische Bestrebungen wie die Pflegeinitiative zeigen auf, dass das Problem erkannt ist, nicht aber von heute auf morgen gelöst werden kann», schreibt Anna Ravizza, Mitglied des Verwaltungsrat.

Man sei sich dessen bewusst und investiere viel in die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter, um eigene Fachkräfte auszubilden und zu halten. Die Spitex St.Gallen AG nehme Rücksicht auf die Mitarbeiterbedürfnisse hinsichtlich der Arbeitszeit und Arbeitspensen. Temporäre Mitarbeiter werden vor allem während personeller Engpässe eingesetzt.

«Der Vorwurf, dass die Spitex St.Gallen AG ihren Pflegefachkräften zu wenig Wertschätzung entgegenbringt, wird in aller Form zurückgewiesen. Die Spitex St.Gallen AG ist sich aber bewusst, dass der noch nicht vollständig abgeschlossene Change Prozess des Zusammenschlusses zur Spitex St.Gallen AG für einige Mitarbeitende herausfordernd war und zu einer erhöhten Fluktuation geführt hat. Wichtig ist jetzt, dass die Arbeitgebermarke weiter gestärkt wird, um bestehende Mitarbeitende zu halten und neue Arbeitskräfte im umkämpften Arbeitsmarkt zu gewinnen», so Anna Ravizza.

Gefährliche Situationen mit Klienten?

Die Spitex arbeite intensiv daran, eine gemeinsame Kultur zu schaffen. Sie führe laufend Ideenworkshops mit den Mitarbeitern durch, bei denen sie ihre Anliegen und Vorstellungen einbringen können. Seit Mitte 2021 werden konsequent Austrittsgespräche mit scheidenden Mitarbeitern geführt, um Klarheit über ihre Beweggründe in Erfahrung zu bringen.

«Der Spitex St.Gallen AG wird vorgeworfen, dass die Pflegequalität und die Klientinnen- und Klientensicherheit leide. Diese Vorwürfe werden entschieden zurückgewiesen. Die Spitex St.Gallen AG hat gezeigt, dass sie solche Vorwürfe ernst nimmt. Seit 2021 führen die Leiterin Kerndienste, die Geschäftsleiterin a. i. und der Verwaltungsratspräsident regelmässig persönliche Klientinnen- und Klientengespräche vor Ort durch – insbesondere bei kritischen oder beunruhigten Klientinnen und Klienten. Die Erkenntnisse aus diesen Gesprächen fliessen unmittelbar in die Verbesserung der Prozesse und Dienstleistungen ein. Damit stärkt die Spitex St.Gallen AG ihren Mitarbeitenden den Rücken, steigert das Vertrauen in die Organisation und deckt allfällige Missstände auf», so Ravizza.

Weiterentwicklung wird vorangetrieben

Auch die Vorwürfe, dass die Klienten Angst hätten, sich zu beschweren, werden in aller Form zurückgewiesen. Seit dem operativen Start der Spitex St.Gallen AG würden regelmässig Klientinnen- und Klientenbefragungen auf schriftlicher Basis statt. Zusätzlich werden seit Ende 2022 austretende Klientinnen und Klienten sowie Angehörige zu den Leistungen der Spitex St.Gallen AG befragt. Offene Kritikpunkte zu den Dienstleistungen werden im Anschluss direkt mit den Umfrageteilnehmenden besprochen, um bedürfnisgerechte Lösungen herbeizuführen.

«Die Spitex St.Gallen AG hofft, somit weiter Transparenz zu schaffen. Weiter kommt die Spitex St.Gallen AG den Forderungen des Stadtparlaments nach und hat per 1. März 2023 die Geschäftsleitung komplettiert. Zudem wurde mit Thomas Keel ein neues Verwaltungsratsmitglied durch den Stadtrat St.Gallen bestellt und gewählt. Die Weiterentwicklung der Spitex St.Gallen AG wird konsequent vorangetrieben», heisst es in der Stellungnahme abschliessend.

mik/stgallen24