«Ich verstehe nicht, wieso niemand etwas gegen die immensen Gesundheitskosten macht», hört man aus der einen Ecke, und Eltern haben es schon mal skandalös gefunden, wenn wieder bei den Schulen gespart werden soll. Und überhaupt sollten die Politiker lieber mit Geld umgehen lernen, als sich in die Angelegenheiten ihrer Bürger einzumischen. Wenn es um Politik geht, gerät man schnell einmal ins Ausrufen, vor allem beim Thema Finanzen. Das zeugt zwar von einer reifen Meinung, bewirkt aber in der Regel nicht viel. Besser ist es, sich politisch zu engagieren. Beispielsweise mit der Wahl der Partei, welche die eigenen Ideale am besten umsetzt. Oder noch besser, indem man sich selbst politisch engagiert. Diese nicht immer einfache Option wählte Ursula Zybach, und zwar schon als Jugendliche. Sie steht als Beispiel für heutige Jugendliche, die etwas bewegen wollen.
Frühe Prägung
«Ich hatte das Glück, dass ich im Elternhaus nicht nur eine gute Basis fürs Heranwachsen mitbekam, sondern auch das Interesse für Politik», meint Ursula Zybach. Ihr Vater – BLS-Lokführer mit Heimatort Innertkirchen – war Mitglied des Grossen Gemeinderats in Spiez, als dieser frisch gegründet wurde. «In meiner Erinnerung sehe ich noch heute die anwesenden Räte im Saal des Kirchgemeindehauses, wo die Vereidigung stattfand», blickt Ursula Zybach auf die Zeit zurück, in der sie zwölf Jahre alt war. «Ich realisierte, dass dies der Weg ist, um etwas an den Strukturen zu ändern und die Rahmenbedingungen zu verbessern», betont sie. Gemeinsam kann man am Besten etwas bewegen, davon ist sie noch heute überzeugt. Zum Beispiel, indem die Frauen zusammenstehen und für mehr Gleichberechtigung kämpfen. «Meine Mutter war Präsidentin der lokalen SP-Frauengruppe und regte an, mich mit der feministischen Literatur auseinanderzusetzen», erzählt Ursula Zybach weiter. «1991 war ich als Studentin beim Frauenstreik dabei und dieses Jahr natürlich wieder.»
Déjà-vu
Das aktuelle Engagement der Jugendlichen für Klimathemen führt bei der Spiezerin zu einem Gefühl von Déjà-vu. «Während der Gymnasialzeit in Interlaken haben wir uns mit ähnlichen Themen auseinandergesetzt, allerdings unter unterschiedlichen Voraussetzungen», stellt sie fest. Die Spiezer Gemeinderätin und Berner Grossrätin beobachtet sogenannte «Windows of Opportunities» – Zeitfenster, in denen gewisse Themen die Chance haben, sich durchzusetzen. «Als wir vor vier Jahren in Genf eine Konferenz von Public Health Schweiz zum Thema 'Klimawandel und Gesundheit' organisierten, war das öffentliche Interesse gering», bedauert sie. «Ein kürzlich in St. Gallen durchgeführter Anlass von 'Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz' mit ähnlichem Inhalt wurde nun von den Medien erfreulicherweise aktiv aufgenommen.»
Verändern statt nur verstehen
Dass Ursula Zybach am Anlass in St. Gallen über den Zusammenhang von Ernährung und Klimawandel referierte, ist kein Zufall. Sie schloss als Lebensmittelingenieurin an der ETH Zürich ab und arbeitete bei der Universität Basel, bei einer Krankenversicherung und bei der Krebsliga Schweiz. Ihr ist es unter anderem zu verdanken, dass Darmkrebs-Früherkennungen kassenpflichtig sind. Von Ignazio Cassis übernahm sie das Präsidium von Public Health Schweiz. Im Gesundheitsbereich sieht sie besonders gut, wie gross die Lücke zwischen Erkenntnis und Handeln ist. Man sei sich zwar bewusst, dass mehr Früchte und Gemüse sowie Bewegung gut für die Gesundheit seien, aber diese Erkenntnis in den Alltag umzusetzen, sei nicht so einfach. «Am besten geht dies in jungen Jahren», stellt Ursula Zybach fest.
Jung gelernt
Dies ist einer der Gründe, wieso sie sich auch im Bereich Bildung starkmacht – zum Beispiel im Beirat der Fachhochschule für Soziale Arbeit in Bern oder im Schulrat der IDM Thun. Was die Schülerinnen und Schüler hier alles erreichen können, zeigen unter anderem die zwei Kleider, die sie bei der Einsetzung und bei der Verabschiedung als Grossratspräsidentin 2017 und 2018 extra schneidern liess. «Auf die Berufsbildung dürfen wir in der Schweiz stolz sein», meint die Grossrätin. Es bleibt zu wünschen, dass sich die Jungen nicht nur in ihrem Beruf mit so viel Bewusstsein und Erfolg einsetzen, sondern auch in der Politik.
Für finanzierbare Gesundheit
Prävention ist der gesuchte Faktor, welche die Gleichung zum Aufgehen bringt – davon ist Ursula Zybach überzeugt. Weil die Bürgerinnen und Bürger nicht alles selber umsetzen können braucht es Rahmenbedingungen. Diese zu schaffen, ist Aufgabe der Politik. Also auch ihre Aufgabe, für die sie sich auf Kommunal- und Kantonsebene einsetzt, und zwar sowohl in der Legislative wie in der Exekutive. Durch ihre besonderen Fachkenntnisse ist die Spiezerin bestens vorbereitet, auch auf nationaler Ebene für finanzierbare Gesundheit und für eine gesunde Finanzierung zu kämpfen. Aus diesem Grund bewirbt sie sich aktuell für einen Sitz in den Nationalrat. «In der Gemeinde Spiez bin ich für das Ressort Finanzen verantwortlich, im Grossrat Teil der Finanzkommission», erklärt Ursula Zybach und fügt an, dass der Kanton im Spagat zwischen Schuldenbremse und einem hohen Bedarf an Investitionen gefangen sei. «Ich hoffe, dass wir hier bald einmal einen Konsens finden», zeigt sich die SP-Politikerin besorgt.
Konsens bringt Energie
Wer in einem Spannungsfeld Konsens reinbringt und ein Vorhaben zum Gedeihen bringt, gewinnt Energie – das erfährt Ursula Zybach immer wieder, und zwar sowohl im privaten, geschäftlichen wie politischen Umfeld. Aus diesem Grund ist Politik für sie sowohl Beruf wie auch Hobby. «Ich lerne so viele gleich- und andersdenkende, inspirierende Menschen kennen, die mich beflügeln», schätzt sie an ihrem Arbeitstag, der rund zur Hälfte durch die Politik und zur Hälfte durch Mandate ausgefüllt wird. Dazu gehört nebst den oben erwähnten unter anderem auch das Präsidium des Spitex-Verbands des Kantons Bern, der Sitz im Stiftungsrat von UNESCO-Welterbe Swiss Alps Jungfrau-Aletsch oder ihr Engagement in der Tabakprävention, unter anderem in der Eidgenössischen Tabakpräventionskommission.
Am Listenende
So viel ihre Eltern ihr für den politischen Weg auch mitgegeben haben, ein Erbe gibt es, das Ursula Zybach Kopfzerbrechen bereitet. «Die Wahllisten werden nach Alphabet sortiert, und da bin ich wegen des Nachnamens meistens auf der letzten, der 24. Position.» Es gibt Wählerinnen und Wähler, die meinen, unten kämen die Listenfüller, weiss Ursula Zybach, und hat sich mit ihren Leidgenossinnen und Leidgenossen aus anderen Parteien getroffen. Mit der Lage ihres Wohnorts Spiez sei es ein bisschen ähnlich, stellt sie fest. Es gehört nämlich weder eindeutig zum östlichen noch zum westlichen Berner Oberland, sondern steht an der Schnittstelle. Also genau dort, wo Ursula Zybach politisch hin will, und zwar von A bis Z.
Mehr Buchstaben über Ursula Zybach unter www.zyba.ch